Predigttext Kolosser 2, 12-15

Einleitung:

Es steht eine Umwälzung bevor, eine Revolution. Nicht in der Politik, nicht im Christentum, noch nicht einmal im Fußball. Nein, in der Astrologie. Denn vor Kurzem passierte etwas, was für die Astrologie massive Folgen hat, Physiker haben weit draussen im Sonnensystem einen weiteren Planeten entdeckt, ein Planet, der um unsere Sonne kreist. Dieser Planet ist schwerer als Pluto, der bisher den Platz des äussersten Planeten im Sonnensystem eingenommen hatte und ist einfach zu weit weg als dass man ihn bisher hätte sehen können. Und diese ungläubigen Physiker hatten nichts besseres zu tun, als als Namen Xena vorzuschlagen, eine starke und aufrührerische Kriegerin aus der römischen Mythologie. Dazu sagte Jonathan Cainer, ein mir völlig unbekannter Astrologe: "Sie haben überhaupt keine Vorstellung von der symbolischen Magie, mit der sie da herumpfuschen. Sie haben eine nicht zurücknehmbare Entscheidung gefällt. Zum Guten wie zum Schlechten, bald wird Xenas Einfluß auf unser Leben sehr stark bemerkbar sein."

Ich zweifle nicht daran, dass Cainer Recht hat, schon bald wird eine Heerschar von Astrologen nachweisen, wie sehr Xena unser Schicksal beeinflußt. dass der Einfluß von Xena auf das Schicksal der Menschen schon immer da gewesen ist und die geschäftstüchtigsten unter ihnen werden zeigen, dass sie den zehnten Planeten auch vorhergesagt haben. Und eine ebenso große Heerschar von Menschen werden ehrfürchtig staunend ins Grübeln kommen und meinen "na ja, ICH glaub ja nicht daran, aber es scheint doch irgendwie was dran zu sein"

Es scheint, uns geht es nicht besser als den Menschen, die damals gelebt haben, zur Zeit des Paulus, insbesondere in der Stadt Kolossus. Wie es aussieht waren die Menschen seit jeher einer Vielzahl von Einflüßen ausgesetzt, die mit dem Aberglauben spielen und versuchen, den Leichtgläubigen Geld aus der Tasche zu ziehen. Was hat da das Christentum entgegen zu setzen? Worum es geht und was das Christentum zu bieten hat, darum geht es in unserem heutigen Predigttext aus Kol. 2, die Verse 12-15

Der Predigttext, Kol. 2, 12-15

Mit Christus wurdet Ihr in der Taufe begraben, mit ihm auch auferweckt durch den Glauben an die Kraft Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat. Ihr ward tot auf Grund eurer Sünden und euer Leib war unbeschnitten, Gott aber hat uns zusammen mit Christus lebendig gemacht und uns alle Sünden vergeben. Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, dass er ihn ans Kreuz geheftet hat. Die Fürsten und Gewalten hat er entwaffnet und öffentlich zur Schau gestellt, durch Christus hat er über sie triumphiert.

Das Umfeld

Hier schreibt Paulus an eine ihm unbekannte Gemeinde. Kolossä war eine Stadt im westlichen Teil Kleinasiens, die nicht durch Paulus, sondern durch Epaphras gegründet worden ist. Paulus schreibt aus der Gefangenschaft heraus, entweder während seiner Haft in Cäsarea oder während seines Aufenthaltes in Rom. Er schreibt, weil die Gemeinde von Irrlehrern heimgesucht wurde, die versuchten, sie auf eine Bahn zu lenken, die nicht mit Gottes Willen übereinstimmt.

Zwei wesentliche Dinge waren es, die die Kolosser versuchten zu beeinflußten und die Paulus in seinem Brief versuchte zurückzudrängen. Da waren einmal die durch die griechische und römische Mythologie erzeugten Ideen zu den Naturgewalten als Götter, den Naturgeistern und deren Einfluß auf unser Schicksal. Die Beschäftigung mit diesem Thema bildet sozusagen die Einleitung zu unserem Predigttext am Anfang des zweiten Kapitels im Kolosserbrief. Den Worten ist zu entnehmen, dass es einige in der Gemeinde gab, die versuchten, ihr Schicksal über solche Wege zu erfahren oder zu beeinflussen.

Hier setzt Paulus die klare Botschaft entgegen, dass sie nicht Angst zu haben brauchen vor ihrem Schicksal, dass sie sich diesen untergeordneten Mächten nicht auszuliefern brauchen. Sie sind in Gottes guten Händen und es war Christus, der alle Ansprüche auf das Leben dieser Menschen an sich genommen hat und diese Fürsten und Gewalten öffentlich zur Schau gestellt hat. Paulus verwendet dabei das Bild des Triumphzuges, bei dem der Sieger einer Schlacht die Besiegten öffentlich zur Schau stellt und sich vom Volk dafür bejubeln lässt.

Der zweite Einfluß, dem die Kolosser ausgesetzt waren, waren jüdisch motivierte Missionare, die durch eine Vielzahl von Gesetzen und Geboten versuchten, die Kolosser zu einem eingeengten, unerfüllten Leben zu bringen. Beschneidung, Einhaltung von Speise- und Reinigungsgesetzen, Beachtung von Feiertagen usw. waren die Forderungen dieser Leute. Im Anschluß an unseren Predigttext, im hinteren Teil des zweiten Kapitels im Kolosserbrief, geht Paulus scharf mit diesem Denken ins Gericht. Menschlich nennt er die ganzen Gebote und Gesetze, Schatten einer grösseren Wirklichkeit und das angesichts der unbestreitbaren Tatsache, dass diese Gesetze und Gebote zumindest in ihrer Fundierung von Gott selbst eingesetzt worden sind.

Das Zentrum

Und dazwischen, in unserem Predigttext, da nennt Paulus das Zentrum des christlichen Bekenntnisses. Vier Schlagworte, vier kurze Sätze kennzeichnen das ganze Evangelium, die gesamte gute Botschaft auf einmal.

Hier in nur drei Versen stehen viele von den Schlagworten, die Eingang gefunden haben in unsere christliche Sprache, in das Kanaanäisch, mit dem so manche Aussenstehende konfrontiert werden und bei dem diese etwas unverständig schauen. Ich habe schon oft das Gefühl gehabt, dass die, die nicht täglich mit dieser Sprache umgehen, eigentlich gar nicht verstehen, was sie aussagt. Und verstehen wir, die wir sie benutzen, was wir da sagen? Warum verwenden wir die Sprache überhaupt?

Ich glaube oft genug verwenden wir diese Schlagworte, weil wir gar nicht wissen, was wir sagen oder aussagen sollen. Und da dann die Gefahr sehr groß ist, etwas falsches zu sagen, fallen wir zurück auf die Sicherheit jahrhunderter alter Formulierungen, Formulierungen des Apostels selber, der ja wohl gewusst hat, wovon er redet. Sozusagen im vertrauten Terrain da fühlen wir uns sicher.

Doch ein solcher Rückzug verdeckt bloß die Unsicherheiten, mit denen wir selbst zu kämpfen haben, die Angst unsere eigene Unwissenheit zu verraten und die Furcht, durch eigene Formulierungen in die Kritik zu geraten, weil das was man selber sagen würde, nicht so hundertprozentig richtig ist. Doch so lange wir nicht verstehen, was Paulus uns sagen will, solange wir uns nur hinter vertrauten Formulierungen verstecken, ohne darüber nachzudenken, so lange werden die, denen wir diese Botschaft eigentlich sagen wollen, mißtrauisch bleiben und uns letztlich keinen Glauben schenken. Also lasst uns nachdenken über diese Schlagworte, über dieses Zentrum des christlichen Glaubens, lasst uns herausfinden, ob die Worte des Paulus auch heute noch Aktualität haben.

Tot auf Grund unserer Sünden?

Als erstes fällt der Satz ins Auge "Ihr ward tot auf Grund Eurer Sünden und Euer Leib war unbeschnitten". Dass das auf die Kolosser zugetroffen hat, das kann ja sein. Die Leute waren vermutlich keine Kinder der Traurigkeit, aber wir heute. Tot auf Grund unserer Sünden? Sorry, welche Sünden bitte schön?

Natürlich mag es den einen oder anderen unter uns geben, der eine dunkle Vergangenheit hat, der möglicherweise mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war und sich auf der sogenannten schiefen Bahn befunden hat. Aber ehrlich, das ist doch eine Minderheit. Die Mehrheit hier im Raum stammt doch aus mehr oder weniger gut behüteten Verhältnissen. Klar man hatte seine Konflikte, mit Eltern, mit Freunden, mit Geschwistern, klar man hat hier und da mal ein Knöllchen kassiert, aber das ist doch das normale Leben, sind das die Sünden, auf Grund derer wir tot gewesen sind? Ein Aussenstehender, ein Atheist, sieht so etwas nicht als Sünde an, sondern als normalen, täglichen Teil des Lebens. Auch ich, als ich noch Atheist war, habe mich niemals als Sünder gefühlt. Ich wurde kein Christ, weil ich irgendwelche bösen Taten verbergen wollte.

Trotzdem hat Paulus natürlich Recht, aber das kann man nur begreifen, wenn man ein Konzept versteht, für das wir in unserer heutigen Zeit offensichtlich keinen Platz mehr haben – die Heiligkeit Gottes. Was ist uns Menschen heutzutage denn noch heilig, ja was bedeutet das eigentlich? Heilig ist uns etwas, wenn wir uns bewusst sind, dass wir etwas unglaublich Schönes, Großes und Wunderbares vor uns haben, über das wir keinerlei Macht verfügen, vor dem wir keine Chance haben zu bestehen. Wenn wir Gott auch nur eine Winzigkeit erkennen, wenn wir auch nur eine kleine Ahnung davon bekommen, was er ist, wenn wir vor ihm stehen, dann bleibt uns gar keine andere Wahl als auf die Knie zu fallen, uns zu ergeben und zu bekennen "Herr, sei mir Sünder gnädig". Und das ohne dass es darauf ankommt, was wir nun eigentlich im einzelnen getan oder nicht getan haben.

Genau das macht es so schwierig, die Heiligkeit Gottes und unser sündig sein in Worte zu packen, Worte sind nicht genug. Jemandem, der Gott niemals erlebt hat, der niemals in die Situation gekommen ist, Gott zu erfahren und dabei festzustellen, wie klein er eigentlich ist, wie wenig er mit seinen Kräften ausrichten kann, wie unglaublich das ist, was jenseits unserer täglichen Erfahrung liegt, diesem Menschen klar zu machen, was Sünde und Heiligkeit heisst, das ist so schwer, wie jemanden, der von Geburt an blind gewesen ist, Farbe zu erklären. Worte erreichen primär unseren Verstand, aber die Heiligkeit Gottes muß unser Herz erreichen.

Und so ist das Schlagwort "ihr ward tot auf Grund Eurer Sünden" zwar richtig und die volle Wahrheit, es soll und darf aber nur dann verwendet werden, wenn wir jemanden vor uns haben, der mit diesen Worten etwas verbinden kann. Wenn jemand da ist mit dunkler Vergangenheit, der an dieser dunklen Vergangenheit verzweifelt und keinen Ausweg weiss, der wird sofort verstehen, was es bedeutet, tot zu sein, während man noch lebt. Aber jemandem, der sich als gerecht ansieht, der zufrieden ist mit seinem Leben, der keine Ahnung hat, was er denn Böses getan haben soll, diesem Menschen kann man diese Worte nicht sagen, ohne dass er uns für verrückt erklärt. Die Botschaft für diese Menschen müsste eigentlich heissen "Bist Du jemals Gott begegnet". Erst in so einer Begegnung hat dieser Mensch dann die Chance, sich zu erkennen und damit auch die Wahrheit des Todes zu begreifen.

Mit Christus begraben sein

Die nächste Formulierung des Paulus, die einem auffällt ist "Ihr wurdet mit Christus in der Taufe begraben". Was bedeutet das eigentlich? Die Taufe kennt man ja hierzulande, aber was soll das bitte schön mit einem Begräbnis zu tun haben?

Auch bei dieser Formulierung werden die meisten Aussenstehenden ratlos sein, es sei denn sie sind wirklich bibelfest. Aber gerade die Kenntnis der biblischen Themen geht heutzutage immer mehr verloren und daher können wir davon ausgehen, dass die Zusammenhänge den wenigsten Menschen klar sind.

Paulus spielt hier auf eine Aussage Jesu an, die er auch selber in sehr starker Form gebraucht hat. In Joh. 3, 3 sagt Jesus zum Pharisäer Nikodemus

Amen, amen ich sage Dir, wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Und in 2. Kor. 5, 17 (und an anderen Stellen) verwendet Paulus dieses Bild selber. Hier schreibt er:

Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden

Beide Stellen haben eine große bildhafte Kraft. Die Umkehr zu Jesus, die Hinwendung zum Glauben ist wie ein neu-geboren werden. Der alte Mensch vergeht, ein neuer Mensch entsteht. Erst dieser neue Mensch ist fähig, eine Beziehung zu Gott zu leben und zu erleben. Die Taufe ist der öffentliche, symbolische Akt dieser Neugeburt. Mit der Taufe wird der alte Mensch zu Grabe getragen. Gestorben ist er schon vorher, zu dem Zeitpunkt, wenn wir uns Gott zuwenden und ihn als Gott anerkennen. Das Begräbnis kommt dann später als öffentliche Bestätigung dieser Umkehr.

Natürlich hat auch das Bild des neuen Menschen so seine Tücken. Schon jener Pharisäer, zu dem Jesus dieses Wort gesprochen hat, war verwirrt und fragt "wie kann denn ein Mensch neu geboren werden, er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurückkehren". Was ist denn neu, nachdem ein Christ neu geboren wurde? Auch und gerade hier haben viele Christen Probleme mit der Rechtfertigung, denn oftmals sieht man das Neue nicht. Insbesondere, wenn man vorher ein gutes und unauffälliges Leben geführt hat, insbesondere wenn man vorher nicht der große Sünder war. Und insbesondere dann, wenn man hinterher immer wieder in die eine oder andere Sündenfalle tappt. Äusserlich betrachtet sehen Christen nicht besser oder erlöster aus als andere, ganz normale Menschen.

Ich denke, wir sollten uns davor hüten, an dieser Stelle zu pauschalisieren und zu verallgemeinern. So vielfältig die Menschen sind, so vielfältig ist auch der Umgang Gottes mit ihnen. Man kann seine eigene Geschichte erzählen, aber man sollte sorgfältig darauf bedacht sein zu betonen, dass der Weg Gottes mit dem anderen ganz anders aussehen könnte. Und wenn er fragt, was er denn verändern müsse oder was sich verändert, wenn er sich zu Gott bekennt, dann ist die richtige Antwort "Ich weiss das nicht, aber Gott wird es dir schon sagen". Und wenn der allgemein übliche Vorwurf kommt, dass man als Christ ja alle Freuden des Lebens aufgeben müsse, dann lautet die Antwort "Es kann wohl sein, dass man die eine oder andere Gewohnheit aufgibt, aber nur dann, wenn Gott die Freude an dieser Änderung dazu schenkt."

Der geheftete Schuldschein

Der dritte Spruch, der sich in unserem Predigttext findet ist das Wort "Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, dadurch getilgt, dass er ihn ans Kreuz geheftet hat". Klar, das Kreuz ist ja das Symbol der Christen, aber was bedeutet denn dieses heften? Was ist denn da vorgegangen, wieso bedeutet das denn eine Tilgung?

Ich denke hier ist auch Aussenstehenden klar, dass Paulus auf das Osterereignis anspielt, auf den Karfreitag. Jesus ist für unsere Sünden gestorben, das ist das öffentliche und bekannte Credo der Christen. Doch wieso will dieser brutale Gott überhaupt Blut sehen und wieso hilft es uns, wenn da vor 2000 Jahren irgend so ein Jude am Kreuz gestorben ist?

Diese Fragen sind sehr fundamental und werden gerade heutzutage von Christen und Nicht-Christen gestellt. Zu oft habe ich das Gefühl, dass man die Formulierung vom stellvertretenden Tod Jesu aus Gewohnheit verwendet, aber arg ins Schwimmen kommt, wenn es darum geht, diesen Vorgang zu verstehen. Und ich muß sagen, dass nach allem, was ich über die Theologie und Philosophie des Opfertodes Jesu weiß, es allgemein um dieses Verstehen nicht so gut bestellt ist. Ich werde gleich eine mögliche Sichtweise erklären, will aber vorher betonen, dass es letztlich nicht darauf ankommt, dass wir diesen Vorgang verstehen. Es kommt darauf an, dieses Opfer dankend zu empfangen, es ist dazu nicht nötig, es zu verstehen. Vielleicht liegt in der dankenden Annahme das einzig mögliche Verständnis. Und genau hier sollten wir nicht versuchen, Aussenstehenden unser Unverständnis zu verbergen. Vielmehr geht es darum zu zeigen, dass man von Gott gerettet werden kann, auch wenn man nicht weiss, wie das vor sich geht.

Doch mit welchen Ansätzen kann man das Karfreitagsgeschehen betrachten? Hier hilft die historische Sicht. Der Begriff des Opfers ist tief in der menschlichen Kultur verankert und ist Bestandteil so gut wie aller Religionen seit Beginn der Menschheitsgeschichte. In der alttestamentlichen Sichtweise war das Opfer ursprünglich ein Akt der Unterwerfung und der Versuch, den allmächtigten Gott wohlgesinnt zu stimmen. Die Unterwerfung ergibt sich dadurch, dass man etwas besonders wertvolles und Reines weggibt, wie die erstgeborenen, tadellosen Tiere oder den besten Teil der Ernte. Und wohlgesinnt wird Gott dadurch gestimmt, dass er diesen Akt der Unterwerfung annimmt und wie ein Großkönig der damaligen Zeit dadurch seinen Groll vergisst.

Die Opferpraxis wurde dann zur Zeit des alten Israels in hohem Maße ritualisiert und formalisiert, gefördert von den Vorschriften, die Gott zu Gunsten der Menschen erliess. Doch letztlich war die formale Durchführung irgendwelcher Riten gar nicht das, was Gott eigentlich wollte, er wollte eine echte, wahre Unterwerfung, eine Zuwendung, die aus dem Herzen kommt, zumal all die Tiere und Waren, die man ihm opferte, sowieso ihm gehörten. Also hat er sich entschlossen, selbst das Opfer zu stellen und die Hinwendung des Herzens, um die es ihm eigentlich geht, durch den Glauben ausdrücken zu lassen. Eine solche Änderung konnte und durfte nicht vom Menschen ausgehen, sondern musste von Gott selbst initiiert werden. Und daher ist die Redewendung des Schuldscheins, der von Gott selbst an das Kreuz geheftet wurde, auch durchaus korrekt.

Die Auferweckung

Der letzte Spruch, der in unserem Predigttext steckt ist "Ihr wurdet auferweckt durch den Glauben an die Kraft Gottes". Das Wichtige in diesem Spruch ist die Vergangenheitsform. Nicht wir werden auferweckt, nein wir wurden auferweckt. Genau darin liegt das verblüffende für Aussenstehende und man sollte diese Feinheit nicht einfach weglassen. Sagen wir "wir werden auferweckt", dann kommt automatisch der Gedanke an den Missbrauch, den man mit der Hoffnung auf das Reich Gottes jahrhunderte lang getrieben hat. Das gemeine Volk durfte Leiden und wurde unterdrückt und alles wurde gerechtfertigt mit der Aussicht auf die besseren Zeiten, die als Vertröstung benutzt wurde, damit die Leute still hielten und das Unrecht über sich ergehen liessen.

Aber Paulus benutzt die Vergangenheitsform vermutlich sehr bewusst. Wir wurden auferweckt als der alte Mensch starb und wir zu einem neuen Menschen wurden. Das Reich Gottes liegt nicht in der Zukunft, sondern lebt in unserem Glauben heute bereits. Es gibt keine Grenze mehr, an der die Ewigkeit erst beginnt, sondern die Ewigkeit hat uns bereits erreicht. Wir müssen lediglich noch einmal transformiert werden, wenn wir körperlich sterben oder Jesus wiederkommt. Aber dieser körperliche Tod ist nicht mehr ein Tod, kein schreckliches, dunkles Ereignis mehr, mit dem alles zu Ende ist. Nein dieser Tod ist eine Verwandlung, ist wie das Verpuppen einer Raupe, die ihren Raupenkörper ablegt und als Schmetterling wieder erscheint. Wir leben im Angesicht der Verwandlung, aber es gibt nichts mehr zu fürchten.

Doch vor dieser Verwandliung leben wir in der Domäne des weltlichen Herrschers und es fällt uns schwer, die bereits erfolgte Auferweckung sichtbar werden zu lassen. Und darum wird Paulus auch nicht müde, Konsequenzen einzufordern. Ihr seid auferweckt worden, Ihr habt keinen Grund mehr, Euch zu fürchten, also zeigt dies auch. Lebt so, wie es Gott gefällt, tut das Gute und meidet das Böse. Lebt so, dass Ihr authentisch seid und durch Euer Leben andere überzeugt.

Un genau das ist auch heute noch so aktuell wie damals. Nicht durch markige Sätze überzeugen wir Menschen, auch wenn diese Sätze noch so wahr sind, nein durch Verhalten überzeugen wir Menschen. Wir sollen nicht nur behaupten erlöst zu sein, wir sollen erlöst wirken. Wie das im Einzelnen zu geschehen hat, das ist so unterschiedlich wie wir unterschiedlich sind und auch wie diejenigen unterschiedlich sind, die die Chance bekommen, unser Verhalten zu beobachten.

Ich tue mich daher schwer, eindeutige Anweisungen zu geben, was wir denn tun sollen, denn das hängt sehr wohl von der Situation ab. Klar, wir sollen unsere Mitmenschen lieben, wir sollen kein Unrecht tun, wir sollen Gottes Gebote tun, aber letztlich ist das alles in gewisser Weise dehnbar. So habe ich zum Beispiel nichts für Astrologie übrig, aber diese Ablehnung einem Menschen gegenüber stark zum Ausdruck zu bringen, der sehr davon beeindruckt ist, könnte genau das Gegenteil bewirken von dem, was ich will. Denn mein Gegenüber muß mich ja ernst nehmen. Also muß ich versuchen, ihn und seinen momentanen Glauben ernst zu nehmen. Ich muß die Gründe erfühlen, warum dieser der Astrologie anhängt und ihm mit Gottes Botschaft ein Gegengewicht bieten. Dass er die Astrologie verwirft, darauf muß er dann selber kommen.

Wir sind damit zurück bei den Kolossern und dem Text des Paulus. Er hat versucht, auf seine Zuhörer einzugehen und hat ihnen das Zentrum des christlichen Glaubens geboten, an Stelle des Versuches der Kontrolle über das Schicksal durch Astrologie oder an Stelle der Strukturen der Gesetzlichkeit. Das kann und soll uns als Vorbild dienen. Wir können dieselbe gute Botschaft, dieselbe Freiheit, dieselbe Ewigkeit verkünden, wie das Paulus getan hat. Nur die Verpackung, die sollen und müssen wir der heutigen Zeit und den heutigen Menschen anpassen.

Amen

Segen:

Der Herr segne und behüte Dich

Er erfülle Deine Füße mit Tanz

Deine Arme mit Kraft, deine Hände mit Zärtlichkeit

Deine Augen mit Lachen, deine Ohren mit Musik

Deine Nase mit Wohlgeruch, deinen Mund mit Jubel

Und dein Herz mit Freude

So segne und behüte dich der Herr

Amen