Predigt 16.09.2007 Lk. 17, 5-6

Einleitung

In einem Land herrschte einmal eine Dürre. Die Sonne brannte Tag um Tag vom Himmel und die Erde trocknete immer weiter aus. Ein kleines Dorf entschloß sich, in einem eigenen Gottesdienst Gott um Regen zu bitten. Die Gemeinde versammelt sich, der Pfarrer steigt auf die Kanzel, um die Predigt zu halten. Er schaut sich um und seine Stirn runzelt sich, sein Ausdruck wird finster und dann donnert er zu seiner Gemeinde hinab "Ihr Kleingläubigen und Narren. Wir sind hier, um Gott um Regen zu bitten. Aber keiner von Euch hat einen Regenschirm mitgebracht."

Diese kleine Geschichte zeigt auf das Thema, um das es in der heutigen Predigt geht. Der Predigttext steht im Evangelium des Lukas, das Kapitel 17, die Verse 5 und 6.

Predigttext Lk 17, 5-6

Die Apostel baten den Herrn: "Stärke unseren Glauben". Der Herr erwiderte, wenn euer Glaube auch nur so groß wäre, wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen, hebe dich samt Deiner Wurzeln aus dem Boden und verpflanze dich ins Meer, und er würde euch gehorchen.

Gedanken zum Kontext

Wenn man diese Verse zum Thema Glaubenskraft liest, dann fragt man sich unwillkürlich, ob Jesus hier nicht einen ziemlich schlechten Tag als Lehrer erwischt hatte. Da haben seine Jünger endlich einmal eine richtige Einsicht. Da triefen sie einmal nicht vor Eitelkeit und Selbstüberschätzung, sondern erkennen, dass ihr Glaube nicht groß genug ist. Und sie reagieren auch richtig auf diese Erkenntnis, indem sie sich an Jesus wenden und ihn bitten, ihren Glauben zu stärken. Und was macht Jesus? Jesus erzählt ihnen, was sie alles machen könnten, wenn ihr Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkorn. Statt die Jünger zu ermutigen und zu motivieren, macht er ihnen lediglich klar, wie klein ihr Glaube tatsächlich ist. Das Beispiel, das Jesus wählt, stärkt keinen Glauben, sondern macht hoffnungslos. Wer von den Jüngern, wer von uns, hätte bei allem Glauben, den wir vermeinen zu haben, jemals erlebt, dass ein Maulbeerbaum unseren Befehlen gehorcht. Und wenn so etwas in all den Generationen von Christen niemals vorgekommen ist, welche Chance haben wir, einen Glauben der Senfkorngrösse jemals zu erreichen?

Nun, wir können vielleicht die pädagogischen Fähigkeiten von Jesus retten, das Problem unseres Kleinglaubens bleibt aber trotzdem bestehen. Schaut man in den Kontext des Kapitels 17 im Lukasevangelium, so erhält man eine ganze Liste von Themen, die wie Perlen auf der Schnur aufgereiht werden. Da geht es um die Verführungen, denen man ausgesetzt ist, da geht es um die Pflicht zur Vergebung, da geht es um die Demut. All das macht deutlich, dass Lukas hier eine Auflistung von Lehren Jesu bringt, die er im Zentrum seines Evangeliums gebündelt hat und die Jesus in Wirklichkeit wohl bei ganz verschiedenen Gelegenheiten seinen Jüngern nahe gebracht hat. Fragt man sich, bei welcher Gelegenheit er wohl dieses Wort von der Größe des Glaubens gesprochen hat, helfen die Parallelstellen bei Matthäus und Markus. Hier wird klar, dass es die durchaus bekannte Begebenheit war, in der Jesus einen Maulbeerbaum verflucht, woraufhin dieser verdorrt und stirbt. Als sich die Jünger darüber verwundern, macht Jesus ihnen klar, welche Kraft im Glauben steckt und was man alles erreichen könnte, wenn der Glaube nur groß genug ist.

Nun, vielleicht ist unser Text dann doch kein Demotivationstraining mit Jesus, sondern steht nur deshalb so da, weil Lukas in redaktioneller Arbeit Lehren Jesu aus dem zeitlichen Zusammenhang gerissen hat. Doch das Problem, das der Text aufwirft, bleibt unverändert. Jesus macht uns klar, welche Kraft Glaube hat, was man alles an Macht und Möglichkeiten hätte, wenn nur der Glaube da wäre, aber die nackte Tatsache bleibt: Unser Glaube bemisst sich nicht nach Senfkorngrösse und wir alle, na ja zumindest ich, werde niemals einen Glauben erreichen, der diese Grösse hat.

Fragen zum Thema Glauben

An so eine Erkenntnis schließen sich unmittelbar eine ganze Reihe von Fragen an. Wenn mein Glaube zu klein ist, wie kann er denn gestärkt werden? Warum werde ich niemals den Glauben erreichen, der auch nur die Größe eines Senfkorns hat und wäre das überhaupt wünschenswert? Und vor allem, wie kann ich mit diesem Umstand umgehen?

Diese Fragen möchte ich heute ein wenig beleuchten und damit auch versuchen, mit der Herausforderung, ja mit dem Druck, der von unserem Predigttext ausgeht umzugehen.

Wie kann Glaube gestärkt werden?

Die erste Frage bezieht sich auf die Bitte, die die Jünger zu Recht ausgesprochen haben. "Herr stärke unseren Glauben" haben sie gesagt in der richtigen Erkenntnis, dass ihr Glaube nicht ausreicht. Jesus hat es ihnen immer wieder vorgeführt. Jesus hat die Menschen um sich herum nach ihrem Glauben behandelt. Kamen sie zu ihm in Glauben und Vertrauen, dass Jesus ihnen helfen könnte, hat er sie geheilt. Aber in seiner Heimatstadt konnte er gar nichts tun, weil die Menschen dort nicht an ihn geglaubt haben, sondern ihn als den Sohn des Zimmermanns gesehen haben. Jesus hatte seine Jünger mit der Vollmacht über Krankheit und böse Geister ausgestattet, aber all diese Macht hatte bei den Jüngern Grenzen. Manche Dämonen konnten sie nicht besiegen und Jesus hatte ihnen gesagt, dass das daran liegt, dass ihr Glaube nicht stark genug wäre.

In dem Verhalten der Jünger erkennen wir uns unschwer wieder. Auch unser Verhalten ist menschlich und unser Glaube ist klein. Und daher betrifft es auch uns, wenn die Jünger bitten "stärke unseren Glauben". Wie macht man das?

Das erste, was einem einfällt, wenn man darüber nachdenkt, wie Glaube gestärkt werden kann, ist Erfahrung. Das war bei den Jüngern nicht anders. Durch ihr Leben mit Jesus, durch das, was sie sahen an Kraft und Wunder bei Jesus, all das hat sie bestärkt in ihrem Glauben, in ihrer Erkenntnis "dieser ist der Sohn Gottes". Im Johannes Evangelium steht dies explizit bei der Auferweckung des Lazarus. Als Folge dieses Wunders fanden viele Menschen zum Glauben an Jesus. Und daher ist die erste Antwort auf die Frage, wie Glaube gestärkt werden kann, ganz einfach die "Suche die Nähe Gottes und erlebe Dinge mit ihm".

Allerdings sollte man nicht so hochmütig sein, gleich ein handfestes Wunder zu erwarten, aber das ist für die Stärkung des Glaubens auch gar nicht notwendig. Vielleicht ist es ein Wunder, wenn ein nicht-Gläubiger überhaupt zum Glauben kommt, aber wenn man bereits ein gewisses Grundvertrauen in die Existenz und die Liebe Gottes hat, dann ist es das Ziel, dieses Grundvertrauen zu stärken, indem man die Beziehung zu Gott pflegt. Und das bedeutet ganz einfach, sich um Gott kümmern, an ihn denken, mit ihm reden, ihm Fragen stellen und Antworten erwarten.

Wenn man diese simplen Regeln der Beziehungspflege ins kanaanäisch, also ins fromme Vokabular übersetzt, dann bedeutet das Lesen in der Bibel, mit anderen Christen Gemeinschaft pflegen z.B. in einem Hauskreis, beten usw. All das sind keine Gebote in dem Sinn "Wenn ihr das nicht tut, seid ihr keine Christen", sondern das alles sind lediglich Verhaltensregeln, die die Beziehung zu Gott pflegen sollen. Das ist nicht anderes als in einer Ehe, wo die Beziehung auch nicht einfach so da ist, sondern durch Umgang miteinander, durch Gespräch, durch gemeinsame Zeit usw. gepflegt werden will. Tut man das nicht, ist das keine Sünde, aber der positive Effekt eines solchen Verhaltens, des Stärkens von Glaube, kann dann verloren gehen mit allen Gefahren, die damit verbunden sind.

Den zweiten Ratschlag, den ich geben kann, wenn man seinen Glauben stärken will, ist "Halte fest, was Dich zu Gott gebracht hat". Jeder Mensch, der sich als Christ bekennt, hat seine persönliche Geschichte, die ihn dazu geführt hat, dass er sich zu Jesus bekennt. Sei es ein einschneidendes einzelnes Ereignis, wie eine Rettung von Todesgefahr oder Krankheit, sei es ein langsamer Prozess, wie die Gewohnheit, mit den Eltern in die Kirche gegangen zu sein und das Gefühl, dort eine Heimat gefunden zu haben. Wie auch immer, jeder hatte seine ganz persönlichen Motive, am Ende zu sagen "Ja Herr, ich glaube, dass Du da bist:

Ich finde es immer wieder spannend und interessant, sich an eine solche Zeit zurück zu erinnern. Immer, wenn bei mir die Zeiten kommen, in denen ich mir sage "Das, was Du da bekennst, was Du da sagst, dass Du glaubst, dass ist doch alles Unsinn, das ist doch Einbildung und Selbstbetrug, immer dann frage ich mich, was hat Dich eigentlich dazu gebracht, Ja zu sagen zu Gott? Und dann erinnere ich mich an meine Überlegungen, an meine Gefühle und an mein Überwältigt-Sein von Gott und kann immer wieder bestätigen, Ja, das war begündet und richtig.. Ich kann also sagen, dass mir dieses Festhalten an dem, was mich zu Gott gebracht hat, über diese Zeiten hinweghilft, in denen sich mein Glaube in einen nicht fassbaren Nebel zu verwandeln droht.

Und der dritte Ratschlag, den ich zum Thema Stärkung des Glaubens geben kann, ist "Liefere Dich Gott aus". Denn wenn man über das Thema nachdenkt, dann wird einem sehr schnell klar, dass man Glauben nicht einfach so machen kann. Ich kann mich nicht morgens vor den Spiegel stellen und sagen "Heute glaube ich mal, dass der Maulbeerbaum ins Meer hüpft" Selbst wenn man ein überaus geübter Manager ist und gelernt hat, die unmöglichsten Dinge mit dem Brustton der Überzeugung vorzutragen, selbst dann wird man feststellen, dass der, der am schwersten zu überzeugen ist, man selbst ist. Nein, Glaube kann man nicht selbst machen, Glaube wird geschenkt durch Gott. Dies wird in einigen Stellen in der Bibel deutlich, wie zum Beispiel in Röm 12,3

Denn ich sage Euch durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sichs gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat

Gott ist es, der einem den Glauben schenkt und nicht wir sind es, der ihn erzeugt. Und daher auch mein Ratschlag "Liefere Dich Gott aus". Höre auf, Dich zum Glauben zwingen zu wollen und überlasse es Gott, ihn Dir zu schenken. Und die Voraussetzung dafür ist, dass man aufhören muss, ein großer und mächtiger Glaubensheld sein zu wollen.

Was ist Glauben ?

Aber egal, wieviel ich von diesen Ratschlägen befolge, ich werde niemals einen Glauben haben, der so groß ist wie ein Senfkorn. Das bringt uns natürlich zu der Frage, was Glaube eigentlich ist und wie man seine Grösse nun misst. Frage ich, was Glaube ist, dann kann ich in die Bibel schauen und finde dort eine Antwort in Heb. 11,1, dort heisst es

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Diese Aussage bezieht sich natürlich auf den Glauben, dass Gott als Erschaffer und Herrscher in diesem Universum existiert und auch die Fäden in den Händen hält. Dieses zu glauben gegen allen Anschein, dass es keinen Gott gibt, gegen allen Anschein, dass das Böse das Universum beherrscht und gegen allen Anschein, dass es niemanden gibt, der sich um mich bemüht und mich liebt, das ist der fundamentale Glaube an Gott, der einen dazu führt gerettet zu werden. Der Verfasser des Hebräer Briefes kämpfte mit demselben Problem, mit dem auch wir kämpfen. Wir sehen Jesus nicht, wir können ihn nicht anfassen, seine Wunder nicht sehen und dennoch sollen wir glauben, um gerettet zu werden. So etwas ist doch einfach nur Torheit für jeden, der mit der Vernunft sein Leben gestalten will.

Aber durch genau diesen Glauben geschieht das grösste Wunder von allen. Durch diesen Glauben werden wir den Tod überleben. Nicht nur, dass wir damit in eine Existenz übergehen werden, die kein Leid mehr kennt, wo wir so sein können wie wir wirklich sind, nein alleine der Glaube daran wird uns helfen, mit dem Leid und den Beschränkungen heute, in diesem Leben umgehen zu können. Die Schmerzen werden aufhören, die Traurigkeit wird nicht unendlich sein, das Leid wird überwunden sein, es wird ein morgen geben, wo wir wieder lachen können. Das ist die Gewissheit, die wir durch diesen Glauben erreichen können. Das ist es, was Paulus zu den schönsten Mut-mach-Worten der Bibel gebracht hat in Röm. 8, 38 + 39

Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.

Brauchen wir mehr Glauben?

Wenn wir das glauben und glauben können, dann besteht schon die Frage, ob dieser Glaube nicht das Senfkorn ist, ob wir es überhaupt nötig haben, noch mehr Glauben zu haben, ja sogar, ob es überhaupt wünschenswert ist, noch mehr Glauben zu haben. Oder anders ausgedrückt, der fundamentalen Glauben an Jesus, der ist die Pflicht, brauchen wir dann noch eine Kür?

Jesus macht uns durch seine Taten und seine wiederholt gemachte Aussage, dass wir dasselbe machen könnten wie er, klar, dass es einen noch grösseren Glauben gibt. Der fundamentale Glaube ist im Jenseits verankert und hat Wirkung auf uns selbst in unsem jetzigen Dasein. Der Glaube, der danach kommt hat Macht auch über die fundamentalen Prozesse der Natur. Jesus hat Krankheiten im Nu geheilt, er ist über das Wasser gegangen, er hat den Maulbeerbaum durch ein Wort verdorren lassen. Welche Möglichkeiten, welche Macht steckt in so einem Glauben. Das ist viel mehr als das, was wir tagtäglich an Glauben sehen, das ist im Grunde die Möglichkeit einer magischen Beeinflussung des Seins selber.

Es gibt eine Person in der Bibel, der diese Machtmöglichkeiten des Glaubens erkannt hat. Das war Simon der Zauberer, von dem in Apg. Kapitel 8 berichtet wird. Er hatte sich schon durch Zauberei eine Anhängerschaft angeeignet, als Petrus und Phillipus in Samaria anfingen, die christliche Gemeinde zu bauen. Auch Simon hat sich der Gemeinde angeschlossen, aber er war in seinem Herzen irdisch, der Zauberer geblieben. Ihm ging es um Macht und Geld und er wollte mit Geld noch mehr von diesem Glauben kaufen. Petrus hat dies erkannt und ihm den heiligen Geist verwehrt und damit demonstriert, dass die Möglichkeiten, die in diesem Glauben stecken, eine ganz andere Wurzel haben als Simon dachte.

Denn Glaube als magisches Mittel kommt uns zu Recht vollkommen falsch vor. Das kann Jesus nicht gemeint haben. Jesus hat durch seine Taten demonstriert, dass es funktioniert und auch die Apostel haben in der Urchristengemeinde Zeichen und Wunder getan und wir werden davon geblendet, was alles heute möglich wäre wenn wir solche Zeichen und Wunder tun könnten. Doch die Formel "Wir müssen nur glauben, dann geschehen Wunder" kann so nicht richtig sein.

Ein schreckliches Denken

Die ganze Lieblosigkeit, ja ich würde sogar sagen, die ganze Bosheit des Denkens "Wir müssen nur glauben, dann geschehen Wunder" wird klar, wenn wir diese Formulierung mal ins tägliche Leben übersetzen. Da wird ein gläubiges Gemeindeglied krank und leidet. Wie es üblich ist, werden die Ältesten zum Gebet gerufen, die Gemeinde betet und bittet, alle sind zuversichtlich, dass ein Wunder geschehen wird und das Gemeindeglied stirbt. Dann liest man diese Zeilen von dem Glauben, der Wunder erzeugen kann und findet "Wir haben nicht genug geglaubt, wir sind Schuld an diesem Tod". Welch grauenhafte Lieblosigkeit, welch zerstörerisches Denken.

Aber wir müssen uns nicht auf fiktive Geschichten konzentrieren, es genügt ein Blick in die Geschichte der Christenheit. Von allen Geschehnissen in den letzten 2000 Jahren hat mich immer die Geschichte vom Kinderkreuzzug besonders bedrückt. Es war das Mittelalter, der Glaube an Gott war eine Selbstverständlichkeit. Die Eroberung des heiligen Landes stand ganz oben auf der politischen Agenda. Getrieben von der Begeisterung des Glaubens, den gerade Kinder auszeichnet und die Jesus selbst auch als Vorbild hingestellt hat, versammelt sich ein Heer von Kindern, grösstenteils unbewaffnet, um ins heilige Land zu ziehen und die Stätten dort durch einen reinen Glaubensakt zurück zu holen. Doch es geschieht kein Wunder, der Kreuzzug scheitert, bevor die Kinder überhaupt das Mittelmeer erreichen. Die meisten werden in die Sklaverei verkauft. Haben diese Kinder nicht genug geglaubt? Hätten sie das Wunder herbei-glauben können?

Das fehlerhafte Denken

Wir merken, etwas ist hier falsch. Und was falsch ist, können wir an der Formulierung sehen "Wir müssen nur glauben, dann geschehen Wunder". Wunder geschehen nicht, Wunder werden vollbracht. In dieser Formulierung fehlt der, der sie vollbringt. Gott ist es, der Wunder tut, er und nur er allein macht sie, entscheidet über sie und nur er allein kann bewirken, dass sie geschehen.

Und der Glaube, was ist mit dem? Glaube in seinem richtigen Verständnis bedeutet, genau das einzusehen. Ich kann gar nichts machen. Ich kann beten, ich kann hoffen, ich kann von Gott erwarten, aber tun, tun tut alleine Gott. Ich kann und darf auch Glaube nicht als Druckmittel gegen Gott einsetzen. Ich kann nicht sagen "aber Du hast doch versprochen, also mach wie ich will". Ein so mißverstandener Glaube verkommt zur Zauberei und kann nur ferne von Gott landen.

Heisst das nun, dass Jesus nicht recht hat, dass man durch Glauben doch nichts bewirken kann? Darauf gibt es ein klares Jein: Ja, Jesus hat recht, aber nein, durch Glaube kann man nichts bewirken. Das bedeutet, dass unser Predigttext unvollständig ist. Er erweckt den Anschein, als wäre Glaube eine magischen Formel, aber das stimmt ganz einfach nicht. Und es gibt eine Bibelstelle, wo das auch ganz deutlich zum Vorschein kommt. Als Jesus vom Teufel versucht wird, da sagt der Teufel zu ihm.

Wenn Du wirklich der Sohn Gottes bist, spring von der Spitze des Tempels, denn es steht geschrieben "Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben und sie werden dich auf Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stösst".

Eine solche Aufforderung ist genau eine Aufforderung, seinen Glauben zu zeigen. Die Bibel sagt, dass Du beschützt wirst, Gott sichert zu, dass Du beschützt wirst, also glaube Gott auch und springe.

Aber Jesus antwortet darauf "es steht ebenfalls geschrieben, Du sollst Gott deinen Herrn nicht versuchen." Mit anderen Worten, wenn Jesus hier einen Test machen würde, würde er genau die Herrschaft aus Gottes Händen in die eigenen nehmen, an die er eigentlich glauben soll. Glaube heisst, Gott für fähig zu erachten, solche Dinge zu tun, aber Glaube heisst auch, die Entscheidung über diese Dinge bei Gott zu lassen. Alles andere wäre eine Herausforderung Gottes, die er sich mit Sicherheit nicht gefallen lassen würde. Wäre Jesus gesprungen, hätte er nicht demonstriert, dass er Gottes Sohn wäre, sondern dass er es gerade nicht ist.

Die Ergänzung des Predigttextes

Mit diesem Beispiel wird auch klar, was in unserem Predigttext fehlt und wo wir Glaubenskraft zu oft missverstehen. Wenn ich die Aussage Jesu jetzt einfach ergänze, so würde ich in den Worten Jesu formulieren:

Wenn Euer Glaube auch nur so groß wie ein Senfkorn wäre, dann würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen "Hebe Dich hinweg und pflanze Dich ins Meer" und ihr würdet das genau dann sagen, wenn ihr wüsstet, dass Gott genau dieses Wunder tun will und es würde geschehen.

Mit anderen Worten, Glaube ist nicht nur das Wissen, dass Gott Wunder tun kann, es ist auch das Wissen, wann Gott diese Wunder tun will. Erst wenn diese beiden Komponenten zusammenkommen, erst dann hat man einen Glauben der Senfkorngrösse erreicht. Und genau dann, kann man sagen, was passiert, denn was Gott tun will, das tut er.

Und das zeigt auch, warum ich niemals einen Glauben dieser Grösse erreichen werde. Ich weiss einfach nicht, was Gott wann tun will. Ich sehe nur mich selbst, aber meinen Mitmenschen sehe ich kaum und all die anderen Menschen schon gar nicht und eine Übersicht über all das Leben, das Universum und all die vielen großartigen Dinge habe ich auch nicht. Wie soll ich da jemals in der Lage sein zu erkennen, wann Gott etwas tun will. Das kann ich nicht. Alles, was ich kann ist zu wissen, dass Gott Wunder tun kann und mich mit diesem Wissen Gott ausliefern.

Ich kann und soll Gott sagen, was ich wünsche. Ich soll ihm zeigen, dass ich ihm alles zutraue. Aber befehlen kann ich ihm nichts. Gott bleibt der Souverän und alles, was ich kann ist, mich ihm unterwerfen. Und wenn ich das tue, dann werde ich feststellen, dass Gott zwar nicht immer dann ein Wunder tut, wenn ich es so wünsche, aber doch viel häufiger ein Wunder tut als man es erwarten kann. Und das wiederum wird unseren Glauben stärken.

Amen

Segen

Der Herr sei vor dir, um dir den rechten Weg zu zeigen.

Der Herr sein neben dir, um dich in die Arme zu schließen und dich zu schützen.

Der Herr sei hinter dir, um dich zu bewahren vor der Heimtücke böser Menschen.

Der Herr sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst und dich aus der Schlinge zu ziehen.

Der Herr sei in dir, um dich zu trösten, wenn du traurig bist.

Der Herr sei um dich herum, um dich zu verteidigen, wenn andere über dich herfallen.

Der Herr sei über dir, um dich zu segnen.

So segne dich der gütige Gott.