Predigttext Micha 6, 6-8

Einleitung:

Es gibt ein Sprichwort in Deutschland, das zur Zeit meines Vaters ziemlich populär war und das die geistige Haltung einer ganzen Generation gut ausdrückte. "Tue Recht und scheue niemand", heißt dieses Sprichwort und es sagt nicht mehr und nicht weniger, als dass man sich nur an das Recht halten muss, um geradeheraus und offen in die Welt blicken zu können, ohne den Blick senken zu müssen aus Scham, etwas Falsches getan zu haben.

Ich habe dieses Sprichwort einige Male sagen hören von Menschen, die der Meinung waren; das Richtige zu tun, selbst wenn dies andere Menschen nicht so sahen. Und dabei wurde es gesagt mit einem gewissen Stolz, ja fast schon einem Hochmut, denn man brauchte sich ja vor niemanden zu scheuen, nicht vor der Obrigkeit, nicht vor den Nachbarn, nicht vor sich selbst.

Dazu kommt, dass dieses Sprichwortes vermutlich aus der Bibel entnommen ist, denn es lässt sich gut ableiten aus dem heutigten Predigttext, der im Buch des Micha, Kapitel 6, Verse 6-8 steht.

Der Predigttext, Micha 6, 6-8

6«Womit soll ich mich dem HERRN nahen, mich beugen vor dem hohen Gott? Soll ich mich aihm mit Brandopfern nahen und mit einjährigen Kälbern? 7Wird wohl der HERR Gefallen haben an viel tausend Widdern, an unzähligen Strömen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen für meine Übertretung geben, meines Leibes Frucht für meine Sünde?» 8Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und bwas der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.

Der Hintergrund

Micha ist der Mahnprediger Judas in der Zeit der Zerstörung Israels und vor der Zerstörung Judas. Er lebte etwa 750 - 700 v.Chr. in Juda zur Zeit der Könige Ahas und Hiskia. Sein Thema waren die gesellschaftlichen Missstände in Juda, die zunehmende Maßlosigkeit der Oberschicht und der Missbrauch des Tempelkults, der in Israel und Juda um sich gegriffen hatte. Immer wieder wechselt seine Mahnpredigt zwischen Anklage und der Beschwörung, sich doch endlich dem Willen Gottes zu beugen. Bei seiner Anklage stellt er sich oft auf die Position Gottes, der immer wieder versucht klarzumachen, was er für Israel getan hat, welche Wunder und welche Taten er für Israel vollbracht hat und welche Macht er doch repräsentiert. Und immer wieder wechselt seine Anklage mit beschwörenden Formeln, doch endlich umzukehren und Gottes Worten zu folgen. Im Gegensatz zu den Propheten Jeremia und Jesaja klingt bei Micha immer wieder auch die Hoffnung mit, dass das drohende Unheil noch aufzuhalten ist, dass es für den Versuch des alten Bundes noch eine Chance gibt.

So ist es auch mit unserem Predigttext. Ihm voraus geht eine Erinnerung Gottes an seine Taten, an die Befreiung aus Ägypten und der Sklaverei. Ihm folgt eine Anklage der Ungerechtigkeit von Richtern und führenden Adligen, die tun, was sie wollen, ohne das Recht zu beachten. Und mit dem Tempeldienst befasst sich unser Predigttext.

Die zentrale Frage

Die zentrale Frage, die Micha hier stellt ist ganz einfach "Womit soll ich mich nahen dem hohen Gott". Die Existenz, die Herrschaft Gottes war in der damaligen Gesellschaft unbestritten. Die Natur und das ganze Leben war beherrscht von göttlichen Mächten und man stellte sich Gott als ein Art orientalischen König vor, der einen eigenen Hofstaat hatte, sich mit Beratern umgab und die Macht über das Leben jedes einzelnen Menschen ausübte. Und wie bei einem König üblich, bestellte er seine Untergebenen ab und zu vor sich und wollte man sich nicht in Lebensgefahr begeben, musste man den König gnädig stimmen.

Geschenke, Gaben waren dazu das richtige Mittel und in Israel hatte sich dafür der Tempelkult ausgebildet, der bis ins Letzte durchorganisiert war. Es gab festgesetzte Zeiten, an denen die Menschen im Tempel, vor dem Opferaltar erscheinen sollten und damit ins Zentrum der göttlichen Aufmerksamkeit gelangten. Um nicht mit leeren Händen da zu stehen konnte man Opfertiere groß und klein oder Opfergaben wie Öl im Tempelvorhof kaufen und am Altar darbringen. Ganze Heerscharen von Tempeldienern und Priestern wachten über den ordnungsgemäßen Ablauf und jeder, ob arm oder reich, konnte gemäß seiner Möglichkeiten mit Opfergaben vor den Altar treten.

Damit wandelte sich der Tempelkult zu einer Massenbewegung. Jedermann in Israel konnte mindestens einmal im Jahr eine solche Gabe darbringen und die gesellschaftliche Stellung wuchs, wenn man mehr konnte. Und die rhetorische Frage von Micha, ob man gar seinen Erstgeborenen opfern sollte, zielte wohl auf den Volksglauben, dass der besonders gut angesehen wird, der sogar seinen erstgeborenen Sohn zu opfern bereit ist, dem ja normalerweise eine besondere Stellung zukommt. Es ist stark zu vermuten, dass dies ein nicht offizieller Volksglauben war, denn in Israel selber war die Opferung von Kindern eigentlich verboten, aber aus den umliegenden heidnischen Völkern war diese Praxis bekannt und auch in der Abrahamsgeschichte spielt er ja eine Rolle.

Und gemäß der Bevölkerung ging die Anzahl der geschlachteten Tiere in die zehntausende und das geopferte Öl erreichte Ausmaße, die den ganzen Ablauf der Opferpraxis eine Routine und Unpersönlichkeit gaben, die Micha hier aufs Korn nimmt.

Sollte Gott das wirklich gewollt haben? War es das Ziel Gottes, so viele Opfergaben zu bekommen, dass der Altar überfloss von Öl und Blut? Nein, sagt Micha, das wollte Gott nicht. "Es ist Dir gesagt Mensch, was gut ist und was der Herr von Dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor Gott". Keine Opfertiere, kein Öl, kein Blut ganz einfach Gehorsam, das ist alles.

Gottes Gebote gibts da was zu verstehen?

Moment mal, so einfach ist das doch nicht. In Punkto Gehorsam ist doch zu sagen, dass Gott genau das geboten hat, nämlich bestimmte Festtage einzuhalten, Opfertiere darzubringen, vom Ersten zu opfern, was man hat. Wenn Gehorsam, dann doch bitte richtig, also doch Opfergaben, also doch Tempeldienst, also doch zehntausende von Opfertieren und überfliessendes Öl auf dem Altar?

Eigentlich ist Gehorsam ja ganz einfach. Man hört, was man gesagt bekommt und tut es. Das ist doch eigentlich einfach. Aber Micha zielt darauf, dass man bei allem Gehorsam offensichtlich doch etwas falsch machen kann. Ja, Gott hat den Tempeldienst eingerichtet, ja Gott verlangt Opfer von mir, ja die ganze Praxis ist von Gott angeordnet, aber nein so wie es gelaufen ist, wollte Gott es nicht. Warum?

Micha macht darauf aufmerksam, dass der Tempeldienst kein Selbstzweck ist. Er wurde von Gott mit einem ganz bestimmten Zweck eingerichtet. Das was Gott eigentlich wollte, ist das, was Micha sagt: Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor Gott. Und mit Gottes Wort halten meint er primär die zehn Gebote, nicht morden, nicht stehlen, nicht seines Nächsten Hab und Gut begehren. Das ist es, was Gott will. Aber Gott weiß auch, dass wir Menschen schwach sind. So einfach das ist, was Gott will, so schwer fällt es uns, selbst bei gutem Wollen, zu tun, was uns eigentlich geboten ist.

Der Sinn der Buße

Und deshalb hat Gott den Tempeldienst eingerichtet. Für den Fall, dass wir nicht in der Lage sind Liebe zu üben, dass wir es nicht schaffen, demütig zu sein und Gottes Wort zu halten, in dem Fall, wo wir eigentlich dem Gericht verfallen und verloren sind, in diesem Fall hat Gott die Möglichkeit des Opfers eingerichtet. Wir haben die Chance, uns vor Gott hinzustellen und zu sagen "Es tut mir leid, ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe, ich bereue meine Taten, ich will es nicht wieder tun".

Wir wissen alle, dass Worte manchmal sehr billig sind. Einfach zu sagen, "Es tut mir Leid" ist zwar das wenigste, was wir machen können, aber kann uns auch zu leicht über die Lippen kommen. Es tut mir Leid, dass ich Deinen Bruder umgebracht habe, es tut mir leid, dass ich Millionen veruntreut habe, es tut mir leid, dass ich Deine Existenz zerstört habe, das lässt sich gut sagen, wenn der Schaden erst einmal angerichtet ist und wenn das alles ist, was danach kommt, dann reicht das nicht. Das weiss auch Gott und hat deshalb folgerichtet, das Gebot der Sühne gegeben. Hast Du etwas zerstört und Schaden angerichtet, dann sollst Du Ersatz schaffen, den Schaden, so gut es geht, wieder gut machen, Du sollst Blutgeld zahlen, die Millionen zurückgeben, die Basis für eine neue Existenz schaffen, keinen Vorteil ziehen aus Deiner Sünde. Und wenn sich Deine Sünde nicht gegen einen Nächsten richtet, dem Du Ersatz schaffen sollst, sondern gegen Gott, dann gehe hin und opfere Gott aus Deinem Besitz als Zeichen dafür, dass es Dir tatsächlich Leid tut.

Der Tempeldienst wurde also eingerichtet nicht wegen des Dienstes, nicht weil Gott das Opfer brauchen würde, nicht weil ihm nach dem Blut oder dem Fleisch gelüsten würde, sondern als Zeichen für eine Haltung, als Zeichen dafür, dass der Mensch, der opfert verstanden hat, um was es Gott geht "halte die Gebote, übe Liebe und sei demütig vor Gott".

Aber genau dieses Verständnis war im alten Israel verloren gegangen. Der Tempeldienst als kulturelle Einrichtung war den Menschen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie den eigentlichen Sinn nicht mehr gesehen haben. An anderer Stelle, in Amos, wird noch deutlicher gesagt, wo die Dinge schief gingen. Da gingen die Männer hin und brachten ihre Opfer in den Tempel und während die Priester das Opfer zubereiteten und die Zeremonie durchführten, gingen die Männer hin und legten sich mit Tempelhuren ins Bett. Tempeldienst nicht mehr als Zeichen, sondern als Freikaufen, um zu tun was man wollte, das war das Problem. Und Micha stemmt sich gegen dieses Problem. Er wendet den Blick wieder auf das Wesentliche und weist die Menschen auf das hin, was Gott eigentlich will "Es ist Dir gesagt Mensch, was gut ist und was der Herr von Dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor Gott".

Hat es geholfen und wie steht es heute?

So war es damals und so ist es heute. Gott hat den Tempeldienst aufhören lassen und auch im heutigen Israel existiert das offizielle Opfer im Tempel nicht mehr, da der Tempel zerstört ist. Für uns Christen ist der Tempeldienst übergegangen in das eine, endgültige Opfer, das Gott selber gebracht hat. Jesus hat für uns gesühnt, aber Jesus ist kein Besitz von uns. Ist damit nicht der Sinn des Opfers ebenfalls verloren gegangen?

Nicht wirklich, denn im Christentum wird diese Zeichenhandlung ersetzt durch andere, die dasselbe ausdrücken sollen. Auch wir sind verloren, auch wir machen nicht das Richtige, auch wir bedürfen der Erlösung und auch wir müssen uns hinstellen und sagen "Es tut uns Leid, Herr vergebe uns". Und auch wir brauchen Zeichenhandlungen, die diese Worte als nicht leer kennzeichnen.

Im Christentum existieren dafür eine ganze Reihe von symbolischen Handlungen, angefangen bei der Taufe als Kennzeichen, dass man zu Jesus gehören will, dann die Beichte als Zeichen, in dem man seine Sünden konkret anspricht, dann die Opfer, die man im Gottesdienst zusammenlegt, dann die Zeit, die man dem Nächsten oder der Gemende gibt usw. usw. Alles dies kann man zusammenfassen als christlicher Lebensstil. Es geht nicht mehr um eine einzelne Handlung einmal im Jahr im Tempel, es geht um den ganzen Menschen, seine täglichen Handlungen, sein tägliches Tun.

Und hier steckt auch der entscheidende Punkt. Von seinem Besitz geben als Zeichen der Buße, das erscheint logisch und ist nicht einfach. Zu sagen, Jesus ich glaube an Dich scheinen dagegen auch nur leere Worte zu sein. Das wäre richtig, wenn man es auf diese eine Situation beschränken würde. Schauspielern, so tun als ob, etwas vorgeben, das kann man gut, wenn es eine einmalige Sache ist, die selten gemacht wird, sei es ein Opfer, seien es Worte. Aber Tag um Tag, jede Stunde leben mit einer Maske, mit einer Lüge, das schaffen nur die wenigsten. Früher oder später zerbricht die Maske, wird der Schein zerstört und die Wahrheit kommt ans Licht.

Und so können wir nicht sagen "Jesus wir gehören zu Dir" und lügen, ohne dass es in unserem täglichen Leben zum Ausdruck kommt. Wer es ernst meint mit seiner Umkehr, der begeht immer noch Fehler, der macht immer noch das Falsche immer wieder, aber jeder Fehler wird ihm wehtun und er wird sein Bestreben trotz aller Unvollkommenheit, immer wieder darauf richten, was Gott wirklich will. Jemand, dem Gott egal ist, der eigentlich nur sich selber im Sinn hat, der wird dagegen sein Tun auf sich selbst lenken und eben nicht auf das, was Gott will. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen und darin steckt die tiefe Wahrheit des christlichen Lebensstils.

Können wir Zugehörigkeit zu Gott messen?

Hört sich einfach an, nicht wahr? Mit diesen korrekten, aber oberflächlichen Gedanken, möchte ich eine Reaktion provozieren. Ich möchte, dass wir uns umschauen oder in den Spiegel schauen und uns fragen "Lebt dieser, lebe ich so, dass er oder ich es ernst meint. Gehört dieser zu Gott? Gehöre ich zu Gott?"

Eine solche Reaktion ist zutiefst menschlich. Immer wenn wir eine Gruppe definieren, durch Verhaltensweisen, durch Gesetze, durch Sprache, durch soziale Bindungen, was auch immer, immer fragen wir uns, gehören wir dazu oder stehen wir draussen? Gehört der da dazu oder steht der da draussen? Und wir Christen fragen uns immer Sind wir gerettet, ist der da gerettet?

So natürlich diese Fragen sind, so problematisch sind sie. Denn um sie zu beantworten, müssen wir sie messbar machen. Und bei der Zugehörigkeit zu Gott heisst das, wir müssen eine Messvorschrift erlassen um zu messen, ob einer tatsächlich an Jesus glaubt oder nicht. Und ich selber habe eben die Steilvorlage für dieses Denken gegeben, indem ich von dem christlichen Lebensstil geredet habe. Also müssen wir nur den christlichen Lebensstil definieren und können sagen "der danach lebt, der gehört zu Gott".

Schauen wir uns einmal um in unserer christlichen Welt. Da habe ich letztens einen sehr interessanten Bericht gelesen über Rudy Guiliani den ehemaligen Bürgermeister von New York, seines Zeichens Republikaner. Er und die anderen Kandidaten der Republikaner für die kommende Präsidentenwahl stellte sich in einem Kongress der rechtskonservativen Parteimitglieder, praktisch ausschliesslich wiedergeborene Christen, der Abstimmung. Und was er sagte, war hochinteressant. Er versprach nichts an Geschenken, denn er wusste, dass es nichts zu verteilen gibt, nachdem Bush mehr als alles, was da war, für seinen Krieg ausgegeben hat. Aber noch mehr, er warb für eine offene, demokratische Gesellschaft, in der nicht nur die wörtlich verstandene Bibel zählt, sondern das Miteinander der Kulturen und Weltanschauungen. Und er bekam eine Quittung dafür. Nur 150 der 6000 Deligierten stimmten für ihn.

Das zeigt mehr als alles andere, dass dieses Denken, "wer so oder so lebt oder denkt, der gehört nicht zu Gott" immer noch massiv in uns steckt, gerade bei den gläubigen Christen. Dieses messen wollen, wer draussen steht, wen man als Gegner ansehen muss, das steckt noch ganz tief in uns drin. Die Delegierten haben dies mit großer Mehrheit bestätigt. Was der ehemalige Bürgermeister von New York eben nicht tat, war Homosexualität zu verdammen, zu versprechen, Abtreibung verbieten zu lassen, zu sagen, dass er allen unchristlichen und den wiedergeborenen Christen unliebsamen Lebensstilen Einhalt gebieten wolle. Aber das wollten die Delgierten hören. Mit großer Mehrheit waren sie der Meinung, man müsste unchristliche Lebensstile verbieten, mit staatlicher Gewalt bekämpfen.

Angenommen, diese Delegierten hätten mehr Einfluß, sie würden ihre Vorstellungen durchsetzen und der christliche Lebensstil ihrer Vorstellung würde in Gesetze gepackt werden? Wohin würde das führen? Zu einer besseren Gesellschaft? Nein, mit Sicherheit nicht. Es würde zu dem führen, was Micha mit aller Kraft bekämpft hat. Die Zeichenhandlungen würden per Gesetz zu einer staatlich und gesellschaftlich vorgegebenen Messeinrichtung für Glauben. Menschen hätten einen Vorteil davon, wenn sie so tun als ob. Die Zeichenandlungen würden verkommen von einer Gott gewollten Einrichtung in ein staatlich Sanktioniertes Ersatzhandeln für wahren Glauben.

Sind wir sicher?

Und reden wir uns nicht damit heraus, dass bei uns amerikanische Verhältnisse nicht denkbar wären. Und reden wir uns auch nicht damit heraus, dass wir doch nur das Beste wollten und dass wir die Fehler im alten Israel nicht machen würden. Und reden wir uns auch nicht damit heraus, wir würden doch nur Gottes Gebote befolgen.

Denn wie zu den Zeiten des Micha, wie zu den Zeiten Jesu und wie heute auch noch, ist das blinde Befolgen von Gottes Geboten dasselbe als wenn man sie überhaupt nicht beachten würde. Gott hat sich bei seinen Geboten etwas gedacht. Und wer das nicht beachtet, wer nicht darauf aufmerkt, warum Gott bestimmte Gebote gegeben hat, der wird sie verletzten.

Bei Micha waren dies die Gebote des Tempeldienstes. Das monotone und stupide Befolgen der Opferriten war nicht das, was Gott gewollt hat. Opfer sollten als Ausnahme dienen, als Ausweg, wenn man trotz allem Bemühen dem heiligen Gott nicht folgen konnte. Bei Jesus war das das Pharisäertum. Pharisäer waren eigentlich eine Gruppe, die mit Eifer nichts anderes wollten als Gottes Gebot zu befolgen. Und in diesem Eifer achteten sie darauf, von außen rein dazustehen, aber innerlich waren sie zutiefst verdreckt, wie Jesus aufgezeigt hat. Auch bei den Pharisäern war es das blinde Befolgen von Geboten, was sie in die Falle laufen ließ, die so tief war, dass Jesus einiges an Wehe-Rufen über die Pharisäer und Schriftgelehreten machen musste.

Und wir? Wo befolgen wir Gottes Gebote blind, ohne den Sinn dieser Gebote zu beachten? Auch bei uns kann genau dasselbe vorkommen, auch bei uns finden wir zahlreiche Beispiele, wo wir im Namen der Gebote etwas tun oder – noch schlimmer – andere zu etwas zwingen und genau dadurch die Gebote Gottes brechen.

Heißt denn gegen Homosexualität zu sein auch gleichzeitig, Homosexualität unter Strafe stellen zu müssen? Heißt Gottes Gebot nicht vielmehr, demjenigen, der homosexuell ist, mit Liebe zu begegnen statt mit einer gesetzlichen Strafe? Natürlich, wenn wir Homosexualität unter Strafe stellen, würden mehr Menschen mit dieser Neigung, diese unterdrücken und es würden weniger homosexuelle Handlungen ausgeführt werden. Aber diese Menschen wären immer noch homosexuell. Wir hätten nicht Gottes Gebot befolgt, sondern die Unehrlichkeit, die Micha bekämpfte, gefördert.

Ähnlich sieht das aus bei Abtreibung. Zu sagen und auch zu vertreten, dass Abtreibung Mord ist, heißt nicht, dass es richtig ist, das einfach unter Strafe zu stellen. Denn mit der Kraft des Gesetzes würden wir vielleicht mache Mutter dazu bringen, ihr Kind zur Welt zu bringen, aber wir würden sie damit alleine lassen. Wir würden ihre Probleme, ihre Gründe, warum sie abtreiben wollte, ignorieren und wieder würden wir der Sünde Vorschub leisten, diesmal mit viel schrecklicheren Folgen, weil dann Kinder in einer ungeliebten und ungewollten Umgebung zur Welt kommen, mit allen Risiken, die für das Kind damit verbunden sind.

Aber auch weniger drastische, ganz alltägliche Beispiele, wo wir Gottes Gebote in blindwütigem Gehorsam in ihr Gegenteil verkehren, gibt es bei uns.

Da wurde die Taufe als Zeichenhandlung von Gott eingesetzt und was machen wir daraus? In der katholischen und evangelischen Kirche verkommt die Taufe zu einem kulturellen Akt, in dem Kinder als Karteileichen aufgenommen werden und jugendliche Konfirmanden des Geldes wegen diese Taufe scheinbar bestätigen. Und die Baptisten machen von einer Zeichenhandlung die Zugehörigkeit zu ihrer Gruppe abhängig als wäre das der entscheidende Punkt, der sie als Christen definiert.

Da wurde die Beichte eingesetzt als bewusste Handlung, um sich selbst im Lichte Gottes zu sehen und bis vor wenigen Jahrzehnten war die Beichte eine Pflichtveranstaltung, in der man gewohnheitsmäßig von der Sünde freigesprochen wurde.

Und da ist uns geboten, nach Gottes Wort zu handeln und wir biegen dies um in ein Sprichwort "Tue Recht und scheue niemand", wo man zwar das Recht tun im Blick hat, aber das demütig sein vergisst.

Eine Gratwanderung

Die Beispiele zeigen, dass wir uns auf einer Gratwanderung befinden. Alle diese Beispiele lassen sich aus der Bibel ableiten. Das häufigste Argument dafür, dass man sich doch als Erwachsener taufen lassen muss, dass man zur Beichte gehen muss, dass man vor der Ehe keinen Sex haben darf, dass man gegen Homosexualität sein muss, dass man Abtreibung verabscheuen muss, ist, dass Gott dies geboten hat, all das sind Konsequenzen aus Gottes Wort, aus seinen Geboten. Und gerade das ist uns ja gesagt worden, was wir tun sollen, Gottes Geboten folgen.

Aber unsere Aufgabe ist es primär, selbst erst einmal diese Gebote zu befolgen, nicht andere dazu zwingen zu wollen. Natürlich sollen und müssen wir uns in der Gemeinschaft miteinander auch gegenseitig ermahnen, korrigieren, aber dies soll und muss in Liebe, in gegenseitiger Achtung, in Demut geschehen, sonst wird das gegenseitige korrigieren zu einer lieblosen Sünde.

Und wir müssen, manchmal vielleicht schmerzhaft, endlich lernen, dass Glauben nicht messbar ist. Gott ist es, der in die Herzen schaut, nicht wir. Und Gott ist der Richter, nicht wir.

Gott hat uns die Zeichenhandlungen gegeben eben als Zeichenhandlungen von uns zu ihm. Gott allein weiss wirklich einzuschätzen, wie es ein Mensch meint. Wir als Menschen können dies nicht und deshalb können wir getäuscht werden. Wir vermögen nicht zu unterscheiden zwischen einem christlichen Lebensstil aus Überzeugung und einem vorgetäuschten christlichen Lebensstil. Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als immer wieder das Gericht nicht in die eigenen Hände zu nehmen, sondern an Gott abzugeben. Und wir müssen unseren eigenen Dämon dadurch besiegen, dass wir einen christlichen Lebensstil pflegen und gut heissen, ohne ihn zum Massstab über andere Menschen zu machen.

Amen

 

Abendmahl

Wir wollen nun zusammen das Abendmahl feiern. Jeder ist dazu eingeladen, der sich zum Herrn Jesus bekennt und an ihn glaubt. Ich lese dazu die Einsetzzungsworte aus 1. Kor. 11, 23 - 29

23aDenn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, 24dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. 25Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bbis er kommt. 27Wer nun unwürdig von dem Brot ißt oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. 28Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch. 29Denn wer so ißt und trinkt, daß er den Leib des Herrn nicht achtet, der ißt und trinkt sich selber zum Gericht.

Das Abendmahl ist danach etwas, was wir feiern, um uns an das zu erinnern, was Jesus für uns getan hat. Es soll nicht als Druckmittel oder als Kennzeichen von Rechtgläubigkeit eingesetzt werden. Darum ist auch jeder eingeladen, der sich selbst geprüft hat und mit dieser Prüfung vor Gott hintreten kann. Dies ist eine große Freiheit, aber auch eine große Verantwortung.

Ich möchte ???? bitten zuerst für das Brot zu danken.

Als die Jünger aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib

Nun möchte ich ???? bitten, für den Kelch zu danken

Und Jesus nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; 28das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.

Segen

Der Herr gebe uns Weisheit und Erkenntnis, dass wir sein Wort richtig verstehen

Der Herr gebe uns Liebe und offene Herzen, dass wir unserem Nächsten so begegnen, wie er es will

Der Herr gebe uns Demut, dass wir erkennen, dass wir nichts vermögen ohne ihn

Der Herr segne uns und behüte uns

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig

Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns

und gebe uns Frieden.

Amen