Predigt Heb. 10, 35-36 (37-38).39

Einleitung

Oliver, unser Sohn, hat vor kurzem die Schule gewechselt. Nach seiner mittleren Reife geht er jetzt auf ein berufsbildendes Gymnasium. Und wie das so üblich ist, hat die Schule für die neuen Schüler und deren Eltern vorher einen Informationsabend abgehalten, der durch eine Rede der Direktorin eingeleitet wurde. In ihrer Rede ging sie auf die Frage ein, was die wichtigste Eigenschaft für die Schüler sei, die diese in der neuen Schule und der neuen Situation brauchen würden. Und die Botschaft, die der Direktorin dabei besonders wichtig zu sein schien, war die Aussage, dass dies das Durchhaltevermögen ist. Ausdauer brauchen die Schüler als allerwichtigste Eigenschaft, um nach drei Jahren das ersehnte Ziel, das Abitur erreichen zu können.

Fleiß, Genialität, Ideenreichtum, Kreativität, all das sind wichtige Dinge, die auch viel Positives bewirken können, aber um drei Jahre durchzuhalten braucht man Zähigkeit, den Willen, weiterzumachen, auch wenn die unvermeidliche Krise kommt, auch wenn man merkt, dass man doch so vieles nicht versteht, auch wenn man Niederlagen einstecken muss. Dranbleiben, weitermachen, durchhalten ist dann die Devise oder man wird das Ziel nicht erreichen.

Vielleicht hat die Direktorin ihre Rede ja aus der Bibel abgeschrieben, denn diese Botschaft ist die gleiche, die wir auch in unserem heutigen Predigttext finden. Dieser steht in Hebräer, Kapitel 10, die Verse 35-39.

Der Predigttext

35Werft also Eure Zuversicht nicht weg, die großen Lohn mit sich bringt. 36Was Ihr braucht ist Ausdauer, damit Ihr den Willen Gottes erfüllen könnt und so das verheissene Gut erlangt. 37Denn nur noch eine kurze Zeit, dann wird der kommen, der kommen soll und er bleibt nicht aus. 38Mein Gerechter aber wird durch den Glauben leben, doch wenn er zurückweicht, habe ich keinen Gefallen an ihm. 39Wir aber gehören nicht zu denen, die zurückweichen und verlorengehen, sondern zu denen, die glauben und das Leben gewinnen.

Der Kontext des Textes

Der Hebräerbrief ist eine ausführliche theologische Darstellung und Begründung der christlichen Denkweise auf der Basis des jüdischen Glaubens. Der Schreiber des Briefes kommt aus dem Judentum und stellt Christus und seine Erlösungstat in den Kontext der jüdischen Opferpraxis und des jüdischen Gesetzes. Im ersten Teil des Briefes, bis zum Kapitel 10, geht es ihm um die Einordnung von Christus als den wahren, den endgültigen Hohepriester. Nach dem Kapitel 10 geht es um das Thema "gerettet sein aus Glauben", darum zu zeigen, dass schon bei den Patrarchen und Propheten nicht die Befolgung des Gesetzes, sondern der Ausdruck des Glaubens die Ursache dafür war, dass Gott diese Menschen wohlgefällig angesehen hatte.

Damit ist das Kapitel 10 so etwas wie ein thematischer Übergang. Das Kapitel beginnt mit der Aussage, dass wir endgültig mit Gott versöhnt sind, nicht durch Speise- oder Schlachtopfer, sondern durch das Blut Jesu Christi. Und weil wir mit diesem Blut besprengt worden sind, weil wir Jesus angenommen haben und uns zu ihm bekennen, darum dürfen wir zuversichtlich sein, dass wir gereinigt sind von unseren Sünden, dass wir unbefleckt und rein vor Gott stehen.

Die Gefahr des Rückschlags

Damit sollte eigentlich alles gut sein. Wir sind gerettet und bei Gott angenommen, mehr benötigen wir eigentlich nicht, um befreit und voller Zuversicht in dieser Welt leben zu können. Doch vermutlich auf Grund konkreter Beispiele, die dem Schreiber des Hebräerbriefes vor Augen stehen, muss er auf die Frage eingehen, was denn ist, wenn wir uns trotz unserer Befreiung nicht um die Gebote Gottes scheren.

Der Hebräerbrief beschwört in den Passagen vor unserem Predigttext die Gefahr eines Rückschlags herauf und macht klar, dass der Weg nach der Rettung kein Spaziergang ist. Und er erinnert daran, dass das schon immer so war, indem er die Adressaten des Briefes an die Dinge aufmerksam macht, die sie bereits auf sich genommen hatten. In den Versen 32-34, unmittelbar vor unserem Predigttext erinnert er die Adressaten an die Verfolgungen und Schmähungen, denen sie um des Glaubens willen ausgesetzt waren und denen sie aus ihrem Glauben heraus freudig getrotzt haben.

Mahnung zur Ausdauer

Und so kommt der Heberäerbrief zu unserem Predigttext, der Mahnung zur Ausdauer. In dieser Mahnung stecken vier Punkte, auf die ich etwas detaillierter eingehen möchte:

  1. Das Ziel ist aller Anstrengung wert
  2. Gott hat uns Aufgaben gegeben, die der Ausdauer bedürfen
  3. Wer aufgibt ist schlechter dran als vorher
  4. eine immer wieder gestellte Frage: wie lange noch?

Erstens: Das Ziel ist aller Anstrengung wert

In meiner Einleitung als ich von der Rede der Schuldirektorin erzählte, gab es auch ein Ziel, für das die Schüler die angekündigten Anstrengungen unternehmen sollten, das Abitur. Ein solcher Schulabschluß ist erstrebenswert, weil er einem jungen Menschen alle Ausbildungschancen offen lässt und vor allem den Zugang zu den beruflichen Bereichen eröffnet, die in unserer Gesellschaft Wohlstand und finanzielles Auskommen versprechen. Doch so manchem Jugendlichen ist dieses Ziel zu abstrakt, zu fern. Es dauert Jahre, bis man seine Ausbildung beendet hat und eine Garantie, danach in einem der interessanten, gut bezahlten Berufe unterzukommen, gibt einem keiner. Und deswegen ist Ausdauer von Nöten, eine Ausdauer, die einen dazu bringt, durchzuhalten und weiterzumachen, selbst wenn die Zweifel kommen, ob das Ziel doch so erstrebenswert ist, ob die Freizeit, die man opfert, nicht doch mehr wert ist, ob es nicht einfacher und bequemer ist, sich hängen zu lassen.

Der Hebräerbrief spricht von einem noch abstrakteren Ziel: dem Reich Gottes. Dadurch, dass wir versöhnt sind mit Gott, dadurch, dass Jesus unsere Sünden gesühnt hat, dadurch dass wir befreit sind von der Last des Gesetzes, dadurch können wir gewiss sein, dass Gott uns einladen wird an seinen Tisch, dass wir ihn in Herrlichkeit sehen werden, dass er diese gefallene Welt befreien wird. Schöne Worte, doch verstehen wir sie auch, fühlen wir ihre Wichtigkeit, begreifen wir ihren Stellenwert?

Seien wir ehrlich, die Antwort heisst im allgemeinen nein. Alles, was wir wirklich kennen und begreifen, ist dieses Leben. Und dieses Leben ist ein Wechselspiel aus Freude und Mühsal, aus Befreiung und Last, aus Glück und Leid, und – typisch menschlich – die negativen Seiten des Lebens erscheinen uns nur zu oft als bedeutender, als überwältigender. Die Zeiten der Depressionen dauern länger als die Zeiten der Freude, das Tragen von Lasten ist häufiger als die Zeit des befreit seins und das Glück dauert nur Momente, während das Leid sich ewig dahinzieht. Es ist egal, ob das auch objektiv so stimmt, subjektiv empfinden wir es so.

Und deshalb sehnen wir uns nach einer Welt, die kein Leid enthält, in der alle Tränen getrocknet sind, in der die Depression keine Chance mehr hat. Und die christliche Denkweise sagt: Das Leid gibt es nur, weil wir die Beziehung zu Gott zerstört haben. Nur wenn diese Beziehung repariert ist, kann der Traum in Erfüllung gehen und Jesus hat die Brücke gebaut, über die wir gehen köennen. Doch um diese Worte nachvollziehen zu können, müssen wir in der Lage sein, die Verbindung zwischen unserem Leid und Gott auch tatsächlich herzustellen. Nur wenn wir merken können, was Sünde anrichtet, können wir froh darüber sein, dass sie uns vergeben ist, nur wenn wir die Last des Gesetzes spüren, können wir über die Befreiung dieses Jochs jubeln, nur wenn uns die Gottes-Ferne überwältigt, können wir seine Nähe voll geniessen. Und hier genau steckt das Problem für uns. Gerade in der heutigen Zeit ist Gott im alltäglichen Leben in so weite Ferne gerückt, dass es schwer wird, unser Leid mit dieser Ferne in Verbindung zu bringen. Und ohne diese Last gespürt zu haben, wird es ebenso schwer, die Befreiung der guten Nachricht zu spüren.

Dass uns unser Herz, unser Gefühl in dieser Weise im Stich lässt, halte ich für durchaus normal. Gefühle sind da, sie lassen sich nicht befehlen, sie lassen sich nicht konservieren, sie sind Sache des Augenblicks. Und wenn eine Situation länger anhält, dann machen die Gefühle häufig anderen Gefühlen Platz.

Genauso ist es auch mit der Freude, die man empfindet, wenn man mit Gott verbunden ist. Es gibt diese Momente, wo man spürt, dass Gott nahe ist, wo man spürt, wie er uns liebt und wo man spürt, wie wir uns geborgen fühlen bei ihm, diese Momente des tiefsten Friedens, der absoluten Sicherheit:, dass er da ist und uns in der Hand hält. Man möchte solche Momente konservieren, für immer halten, aber schon Stunden später ist die Sicherheit vorbei, ist das Gefühl weg, überwältigt uns wieder das Verloren Sein des Alltags. Was bleibt ist eine Erinnerung, eine Art Erinnerung an die Zukunft, denn diese seltenen Gefühle und Erlebnisse sind eine Vorahnung für das, was uns erwartet. Sie machen uns deutlich, was das Ziel ist, das wir erhoffen und das Gott verheissen hat.

Wie gut, wenn wir uns an solche Momente erinnern können, wie gut, dass Jesus, Paulus und auch der Schreiber des Hebräerbriefes uns immer wieder an diese Momente und an das damit verbundene Ziel erinnern, denn wenn das Herz versagt, dann bleibt der Kopf, der uns sagen kann: dieses Ziel ist es wert, erreicht zu werden, dort ist deine Heimat, dort ist dein zu Hause, lasse nicht zu, dass dir das verloren geht.

Doch auf ein Ziel zu hoffen, dass wir erst nach unserem Leben erreichen werden, ist nicht genug und damit komme ich zu meinem zweiten Punkt

Zweitens Gott hat uns Aufgaben gegeben, die der Ausdauer bedürfen

In unserem Predigttext heisst es in Vers 36 "36Was Ihr braucht ist Ausdauer, damit Ihr den Willen Gottes erfüllen könnt" Die Verheissung Gottes, dass wir einmal mit ihm verbunden in seinem Reich leben werden, ist keine nüchterne Beschreibung, keine losgelöste Vision, sie hat einen Zweck, Gott möchte damit etwas erreichen. Durch das Ziel, durch die Vision, sollen wir die Kraft, den Mut und die Fähigkeit erlangen, die Aufgaben zu erfüllen, die wir nach seinem Willen erfüllen sollen.

In meiner Zeit als Personalverantwortlicher habe ich einige Seminare zum Thema Personalführung mitgemacht und ein Punkt wurde durch die Ausbilder dort immer wieder betont. Die Mitarbeiter erfüllen ihre Arbeit besser und mit mehr Freude, wenn sie wissen, wohin die Reise geht, warum sie sich so anstrengen sollen. Und so gehört es heutzutage in jede moderne Unternehmensführung, dass das Management Visionen entwickelt und Ziele formuliert, die sogenannten Unternehmensziele. Dann wird das untere Management damit beauftragt, diese globalen Unternehmensziele für jede Abteilung herunterzubrechen und Abteilungsziele daraus zu formulieren. Das alles wird gemacht, damit die Mitarbeiter ihre konkrete Arbeit mit diesen Zielen verknüpfen und daraus die Motivation und den Willen zur Anstrengung entwickeln können.

Bei den Unternehmen geht es "nur" um den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, bei uns geht es um mehr, es geht um unsere Existenz, um unser Leben. In der gute Botschaft, die die Apostel in der ersten Zeit im römischen Reich verbreiteten ging es um die einfache Aussage: "Da hat jemand gelebt, der gekreuzigt wurde, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt und diese Auferweckung kannst auch Du erreichen". So einfach diese Botschaft war, so mitreissend war sie. Bis dahin hatten die Menschen nur ihr aktuelles Leben, das nur zu oft von Willkür, Ungerechtigkeit, Elend und Unterdrückung gekennzeichnet war. Und die Reaktion der Menschen war genauso wie sie heute ist, man hat zugesehen, dass man seinen Teil vom Kuchen abbekam. Geschenkt wurde niemanden etwas, also musste man sehen, wo man abblieb und wenn nötig auch auf Kosten der Schwächeren.

Natürlich gab es auch Hilfsbereitschaft, natürlich war in allen Glaubenssystemen, insbesondere im jüdischen, die Versorgung der Ärmsten ein Thema. Aber wenn man nur dieses Leben zur Verfügung hat, ist es schwierig, die Energie und die Kraft für solche Dienste auf sich zu nehmen.

Und dann kamen die Apostel mit ihrer Botschaft, dass doch nicht alles zu Ende ist und das ganz konkret am Beispiel Jesu. Wie im Hebräerbrief selbst betont, hat das unglaubliche Kräfte in den Gemeinden freigesetzt. Die Menschen waren bereit, Verfolgung, Spott und Tod zu erdulden, nur um an ihrem Glauben festzuhalten. Und diese Widerstandsfähigkeit war in der Anfangszeit das überzeugendste Argument der Christen. Die Märtyrer haben das Christentum zur Staatsreligion gemacht.

Solche Phänomene sind auch heute noch zu beobachten. In China, in Afrika, überall dort, wo Christen wegen ihres Glaubens verfolgt werden, da zeigt sich die Kraft, die aus dem Glauben kommt. Aber wir müssen noch nicht einmal in diese Extremsituationen gehen, um dies festzustellen. Im Westen herrscht Religionsfreiheit, da muss normalerweise niemand wegen seines Glaubens um sein Leben fürchten. Aber es gibt noch andere Herausforderungen, die sich nur mit einem starken Glauben bewältigen lassen. Wenn Gläubige sich in den Dienst an Menschen berufen lassen, dann ist das nur zu oft eine noch größere Herausforderung als wenn man mit dem Tod bedroht wird.

Denn wenn man als Missionar, als Prediger, als Arzt, als Krankenschwester oder Lehrer Dienst für Gott tun will und in der glaubensmäßigen Begeisterung einen solchen Weg einschlägt, dann gibt es einen fürchterlichen Feind: die Zeit. Die Gefühle der Begeisterung sind spätestens nach ein paar Jahren verflogen und was man dann braucht, ist Ausdauer. Man wird immer wieder Rückschläge erleben, immer wieder Niederlagen einstecken und immer wieder wird dies zu der Frage führen, ob man den richtigen Weg eingeschlagen hat. Und dann ist es wichtig, ein Ohr zu haben für Gott, denn manchmal ist es ja tatsächlich Gott, der einen auf einen anderen Weg führen will, aber manchmal ist es eben der Teufel, der die Werke Gottes zerstören will.

Doch selbst wenn man in keinem besonderen Dienst steht, wenn man nur die Aufgabe bekommen hat, sein Leben so zu leben, wie es Gott wohlgefällt, selbst dann ist Ausdauer von Nöten, um die Täler zu durchschreiten, die man in seinem persönlichen Leben und im Leben mit seiner Gemeinde durchschreitet. Festhalten an Gott, durch dick und dünn, das ist eine lebenslange Aufgabe, der jeder von uns hat. Und den Willen, dies durchzuhalten, bekommt man nur, wenn man sich immer wieder klar macht, um was es geht, was auf dem Spiel steht und welchem Ziel man entgegenstrebt.

Dass dieser Weg nicht einfach ist, dass Ausdauer und Anstrengung von Nöten sind, sieht man daran, dass es durchaus viele gibt, die aufgeben, die zurückweichen, die Gott loslassen. Und damit komme ich zu meinem dritten Punkt

Wer aufgibt ist schlechter dran als vorher

Der Schreiber des Hebräerbriefes hatte vermutlich konkrete Beispiele vor Augen, wenn er von denen schreibt, die zurückweichen. Der gesellschaftliche Druck durch Hohn, Spott und Verfolgung wird Wirkung gezeigt haben und es wird einige Menschen gegeben haben, die nicht gewillt waren, Ihr Leben für eine Glaubensaussage aufs Spiel zu setzen. Von unserem heutigen Denken her, eingelullt in die verweichtliche westliche Lebensart, kann ich nur sagen: Wer kann ihnen das verdenken. Ich weiss nicht, ob ich die Kraft besessen hätte, Widerstand zu leisten.

Der Hebräerbrief ist da wesentlich weniger zimperlich. Er ergeht sich in harten Worten gegen die, die zu schwach sind. In Vers 38 sagt unser Predigttext "38Mein Gerechter aber wird durch den Glauben leben, doch wenn er zurückweicht, habe ich keinen Gefallen an ihm." Auffällig ist der Stilwechsel, wo vorher und nachher in der dritten Person geredet wird, steht der Satz hier in der Ich-Form. Er ist vermutlich als Zitat gedacht, Gott wird zitiert, wie er sich über die äussert, die zurückweichen. Aber es wird nicht gesagt, gegenüber wem und wann Gott diese Worte gesprochen hat. Und vor allem, was haben sie zu bedeuten, was heisst "keinen Gefallen mehr haben"?

Das neue Testament behandelt das Problem von Menschen, die zum Glauben kommen und wieder zurückweichen in mehreren Beispielen und Situationen. Jesus legt den Grund mit seinem Gleichnis vom Sämann und der guten Frucht in Mt. 13, 3-8. Er betont dort, dass das Wort vom Reich Gottes nicht überall gleich wirkt, es gibt die Menschen, bei denen der Samen des Wortes keine Wurzeln entwickeln kann und die Frucht nur oberflächlich keimt. Bei den ersten Schwierigkeiten geht die Frucht ein. Und es gibt die Menschen, wo der Samen unter die Dornen fällt. Die Frucht geht auf, aber die Dornen, die Sorgen und Begierden der Welt ersticken die Frucht. Jesus bereits sagt voraus, dass es die Probleme geben wird, die der Hebräerbrief behandelt.

Paulus äussert sich in seinen Briefen zweifach. Einmal geht er gegen konkrete Verfehlungen kompromisslos an. Ein Beispiel ist 1. Kor. 5, 1-13, wo es um einen Mann geht, der seine Stiefmutter geheiratet hat, was selbst nach römischen Recht nicht erlaubt war. Paulus fordert klar den Ausschluss dieses Mannes aus der Gemeinde. Der entscheidende Satz steht in 1. Kor. 5, 13, wo Paulus sagt "Gott aber wird die draußen sind richten. Verstoßt ihr den Bösen aus eurer Mitte!". Wichtig ist hier, dass Paulus zwar den Mann ausschließen will, um die Gemeinde zu schützen, das Urteil über den Mann aber Gott überlässt.

Die andere berühmte Stelle, die Paulus über das Problem des Zurückweichens schreibt, steht in Röm 8, 38, 39

"Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn"

Hier wird klar: Gott hält mich in der Hand für immer, solange ich nicht bewusst loslasse. Ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand und die ist geprägt von Liebe. Ein unglaublich beruhigender Text, der alles Versagen, alle Ängste, alle Schwäche in mir erträglich macht.

Der Hebräerbrief setzt dazu den Gegenpol. Vor unserem Predigttext in Kapitel 10 nennt er die Menschen, die von Gottes Gebot abfallen und sich abwenden. Er macht klar, dass Menschen, die erst die Rettung durch Jesus annehmen und sich dann aber diese Entscheidung rückgängig machen, mit voller Kraft durch die Folgen des Gesetzes getroffen werden. Er schliesst diese Überlegungen in Kapitel 10,31 mit einem Horrorsatz "Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen". Hier kommt das ganze jüdische Verständnis der Heiligkeit und Unnahbarkeit Gottes zum Vorschein. Wie passt dieser Ausspruch mit den Ansichten des Paulus zusammen, dass man es nirgendwo besser hat als in den Händen des liebenden Gottes?

Ich denke, der entscheidende Satz für das, was der Hebräertexte meint, ist dabei Kapitel 10, Vers 26 "Denn wenn wir vorsätzlich sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, gibt es für diese Sünden kein Opfer mehr, sondern nur die Erwartung des furchtbaren Gerichts...". Hier wird also die Situation behandelt, wo sich jemand bewusst, gegen besseres Wissen, gegen die Gebote Gottes wendet und seinem Glauben abschwört. Er ist Jesus begegnet und sagt nein. In diesem Fall muss er das volle Gewicht des Gerichtes tragen.

Paulus dagegen kann sich ein solches Abschwören vermutlich gar nicht vorstellen. Wie kann man auch nicht zu Gott gehören wollen? Es kann sein, dass man Schwäche zeigt, Fehler begeht, sich des Versagens schuldig macht. Aber wenn man dabei immer weiter zu Gott gehören will, dann wird seine Liebe einen nicht im Stich lassen.

Und so gibt es für die Situation des zurückweichens zwei Möglichkeiten. Entweder man gibt Gott tatsächlich und willenlich auf, dann ist man schlechter dran als vorher, weil man das ewige Leben endgültig verspielt hat. Oder man erliegt gegen seinen eigenen Willen der Schwäche, der Angst und dem Druck. Dann lässt Gott einen nicht los, aber mit den Folgen des Versagens muss man trotzdem leben. Es kann sein, dass man sein Leben rettet, wo man es sonst verloren hätte, aber es ist ein Leben im Bewusstsein der Niederlage und jeder, der so ein traumatisches Erlebnis schon mal erfahren musste, weiss, wie schwer es sein kann, das zu überwinden.

Doch ich weiss nicht, ob den Adressaten des Hebräerbriefes die Briefe des Paulus vor Augen standen. Wenn nicht, dann waren sie angesichts dieses Textes zwischen zwei Felsen eingezwängt. Auf der einen Seite die Bedrängnis, die Verfolgung durch die Umwelt, auf der anderen Seite dieser Schreiber des Hebräerbriefes, der jeden, der zurückweicht mit furchtbarem Gericht bedroht. Und das führt mich zu dem vierten Punkt

Viertens: Wie lange noch

Praktisch als Beruhigung, als Balsam für die gequälten Seelen, stellt der Schreiber des Hebräerbriefes in Aussicht, dass die Zeit des Leidens nicht mehr lange andauern wird. In Vers 37 schreibt er "37Denn nur noch eine kurze Zeit, dann wird der kommen, der kommen soll und er bleibt nicht aus." Der Sinn des Verses ist es, seinen Lesern Mut und die notwendige Ausdauer zu geben, denn wenn sie gewusst hätten, wie lange Jesu tatsächlich noch auf sich warten lässt, dann hätten mit Sicherheit noch mehr Menschen aufgegeben und wären in Resignation versunken.

Es ist auch gut möglich, dass der Schreiber des Hebräerbriefes der festen Überzeugung war, dass seine Aussage richtig ist und man merkt auch an einigen Stellen in den Briefen des Paulus, dass die Naherwartung eine durchaus treibende Kraft in der gesamten Urchristenheit gewesen ist. Insofern kann man diesen Vers verstehen als Ausdruck einer zeitlich bedingten Interpretation der Aussagen Jesu und als Ausdruck der Fürsorge des Schreibers des Hebräerbriefes, seine Leser nicht an den harten Worten über das Zurückweichen zerschellen zu lassen.

Aber zu sagen, dass der Schreiber des Hebräerbriefes in diesem Vers einen Irrtum geschrieben hat, bereitet vielen Christen Probleme. Kann man diesen Vers nicht auch verstehen, wenn er unter direktem Diktat Gottes entstanden ist? Nun, es gibt zwei mögliche Interpretationen, die ich unter dieser Voraussetzung gefunden habe. Die eine beruft sich auf das berühmte Bibelwort aus 2. Pet. 3,8

"Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass "ein" Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag".

Das würde bedeuten, dass hier zwar "kurze Zeit" steht, diese kurze Zeit aber nach Gottes Maßstäben gemeint ist, wobei schon mal ein paar tausend Jahre zusammen kommen können. Ich bin mit dieser Auslegung nicht sehr glücklich, weil die Empfänger des Briefes nur mit einer kurzen Zeit nach menschlichen Maßstäben wirklich getröstet werden. Hier kurze Zeit zu schreiben und Gottes Maßstab zu meinen, wäre in meinen Augen unnötig lieblos.

Die andere Interpretation beruft sich auf ein stillistisches Mittel, das gerade von den Propheten des alten Testamentes des öfteren benutzt wurde, z.B. von Jesaja. Die Propheten verwendeten dabei für Vorhersagen, die erst in Zukunft eintreffen, die Gegenwartsform. Ein berühmtes Beispiel ist die Verkündigung der Geburt Jesu im Jesaja Kapitel 9, 5 wo dieser schreibt "5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter" Die Gegenwartsform wird benutzt, um auszudrücken, dass Gottes Wort so sicher ist, dass man die Ereignisse ansehen kann, als wären sie bereits geschehen und würden nicht in der Zukunft liegen.

Aber auch mit dieser Interpretation bin ich nicht glücklich, denn es wäre für die Empfänger des Hebräerbriefes viel besser gewesen, wenn dieses Stilmittel wirklich voll eingesetzt worden wäre. Wie viel mehr tröstet es, wenn man gesagt bekommt, der Herr ist hier, der Herr ist an Deiner Seite und hilft Dir, jetzt.

Und diese letzte Form des Trostes ist auch die, die wir für heute und hier übernehmen dürfen, wenn jemand in Not und Verzweifelung fragt "wie lange noch". Das Verweisen auf die Wiederkunft Christi hat über die Jahrtausende einen schalen Beigeschmack bekommen, obwohl der Verweis so richtig ist wie damals. Aber die Menschen wollen nicht vertröstet werden, sie wollen, dass ihnen geholfen wird. Und das tut man am Besten dadurch, dass man ihnen klarmacht, dass der Herr lebt, hier, heute und jetzt, dass er an unserer Seite steht und dass man nicht auf die Ewigkeit warten muss, um Hilfe bei ihm zu bekommen. Und wenn man einen solchen Beistand hat, dann wird man auch die Kraft und den Willen finden, auszuhalten und beständig an Jesu Seite zu gehen, bis er denn tatsächlich wiederkommt. Amen

Abendmahl

Wir wollen nun zusammen das Abendmahl feiern. Jeder ist dazu eingeladen, der sich zum Herrn Jesus bekennt und an ihn glaubt. Ich lese dazu die Einsetzzungsworte aus 1. Kor. 11, 23 - 29

23aDenn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, 24dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. 25Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bbis er kommt. 27Wer nun unwürdig von dem Brot ißt oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. 28Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch. 29Denn wer so ißt und trinkt, daß er den Leib des Herrn nicht achtet, der ißt und trinkt sich selber zum Gericht.

Das Abendmahl ist danach etwas, was wir feiern, um uns an das zu erinnern, was Jesus für uns getan hat. Es soll nicht als Druckmittel oder als Kennzeichen von Rechtgläubigkeit eingesetzt werden. Darum ist auch jeder eingeladen, der sich selbst geprüft hat und mit dieser Prüfung vor Gott hintreten kann. Dies ist eine große Freiheit, aber auch eine große Verantwortung.

Ich möchte ???? bitten zuerst für das Brot zu danken.

Als die Jünger aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib

Nun möchte ich ???? bitten, für den Kelch zu danken

Und Jesus nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; 28das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.

Segen:

Mögest Du immer den Willen Gottes tun

Damit Du nicht wie ein unvorsichtiger Vogel bist, der sich im Netz verfängt

Nicht wie ein leck geschlagenes Schiff, das von jeder Gefahr bedroht wird

Nicht wie ein leeres Gefäß, nicht wie ein verdorrter Baum

Mögest Du immer den Willen Gottes tun

Dann bist Du wie ein Licht, das immer leuchtet

Wie ein Gefäß aus Silber voll mit Wein

Und der Weg Deines Lebens wird gesegnet sein

So segne Dich Gott im Namen Jesu Christi unseres Herrn