Predigt Eph. 3, 14-21

Einleitung

Wessen dein Herz voll ist, dessen läuft dein Mund über sagt ein deutsches Sprichwort und das hat einige Wahrheit in sich. Als ich frisch zum Glauben gekommen war, da war das Thema, mit dem ich mich mit meinen Bekannten und Freunden unterhielt, irgendwie klar. Die, die mich vorher gekannt hatten, waren über die Veränderung erstaunt, die ich durchgemacht hatte und in der Begeisterung, die ich empfand, probierte ich alles Mögliche aus, nur um von dem Weg zu berichten, den ich gerade entdeckt hatte.

Heute ist das alles irgendwie anders. Mein Leben verläuft in wesentlich berechenbareren Bahnen und ich bin in der Regel auch froh darüber. Meine Themen umfassen nur noch zum Teil die Themen des Glaubens, es sei denn, ich bin z.B. im Internet unterwegs. Aber auch in meinen Gedanken, spielen Gott und die Fragen, die mich mal fast bis zum Platzen gebracht hatten, nur noch selten eine Rolle. Ich habe meine Antworten gefunden oder mich damit abgefunden, keine zu bekommen.

Will ich mein Inneres beschreiben, so war vor 25 Jahren das richtige Bild dafür vermutlich Feuer und Klarheit, heute dagegen eher ein ruhig dahin fließendes Gewässer oder eine Nebelbank. Mein Glaube hat sich definitiv verändert. Aber hat er sich verkleinert oder vergrößert, verbessert oder verschlechtert?

Unser Predigttext heute spricht von der langfristigen Perspektive im Glauben. Er steht in dem Brief an die Epheser, Kapitel 3, die Verse 14 bis 21

Der Predigttext

Daher beuge ich meine Knie vor dem Vater, nach dessen Namen jedes Geschlecht auf der Erde und im Himmel benannt wird und bitte, er möge euch auf Grund des Reichtums seiner Herrlichkeit schenken, dass ihr in eurem Inneren durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt. Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen. In der Liebe verwurzelt und in sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt. Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen für ewige Zeiten, amen.

Der Kontext des Textes

Paulus ist im Gefängnis. Er ist eingesperrt wegen seines Glaubens, weil er immer und immer wieder Jesus als den Messias gepredigt und dadurch den Zorn der jüdischen Herrschaftsschicht auf sich gezogen hat. Zwei Mal wurde er gesteinigt, ein Mal ausgepeitscht, immer wieder musste er fliehen und um sein Leben Angst haben. Und schließlich diese Gefangenschaft, vermutlich die, zu der es kam, nachdem es wegen ihm in Jerusalem zu Unruhen gekommen war als er beschuldigt wurde, ehemalige Heiden in den Tempel zum Beten mitgenommen zu haben. Diese Gefangenschaft war die letzte, bevor er nach Rom transportiert wurde, wo sich dann seine Spur verliert und man vermutet, dass er während der einsetzenden Christenverfolgungen ums Leben gekommen ist.

In Gefangenschaft konnte Paulus nicht mehr seine Gemeinden besuchen, aber er hatte genug Zeit, um Briefe zu schreiben und ein solcher Brief ist der Brief an die Epheser. Er liest sich wie das Bekenntnis eines alten Mannes, der die Erkenntnisse seines ereignisreichen Lebens weitergeben und die Gemeinden damit stärken will. Der Epheserbrief ist eines der Briefe, die die tiefsten theologischen Aussagen beinhaltet.

Das Thema zu Beginn des Briefes ist der Glaube und wie die Epheser als ehemalige Heiden dazu gekommen sind. Paulus betont, wie sie früher gehandelt haben und was sie dazu bewogen hat, ihr altes Denken und ihr altes Handeln hinter sich lassen. Unser Predigttext ist eine Art Übergang zu den folgenden Themen, wo es im Wesentlichen um die Konsequenzen des Glaubens geht. Einige der bekanntesten Aussagen dazu aus den folgenden Kapiteln sind "der alte Mensch ist vergangen, ein neuer Mensch ist geworden" und die Regeln des christlichen Familienlebens.

Doch in unserem Predigttext wählt Paulus einen allgemeinen Gedankenansatz. Es geht nicht um den speziellen Weg der Epheser zum Glauben noch um ihre speziellen Probleme, die es zu überwinden gilt. Es geht allgemein um die Frage, wie Glaube wachsen und sich verstärken kann.

Vier Gedanken möchte ich an Hand unseres Textes erläutern.

Glaube als Geschenk Gottes

Paulus schreibt in seinem Brief in den Versen 16 und 17:

er möge euch auf Grund des Reichtums seiner Herrlichkeit schenken, dass ihr in eurem Inneren durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt. Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen

Mit wenigen Worten deutet Paulus an, was in der menschlichen Logik und im menschlichen Denken immer wieder zu Problemen führt, ja zu Problemen führen muss. Nach unserem Bekenntnis werden wir durch den Glauben gerettet. Ohne den Glauben an Jesus sind wir der Sünde, der Trennung von Gott, hilflos ausgeliefert und haben keine Chance, die Ansprüche Gottes zu erfüllen oder gottgemäß zu leben. Also ist es heilsnotwendig, sich im Glauben Jesus zuzuwenden, wir müssen das Geschenk Gottes annehmen. Aber wie entsteht Glaube oder wie wird er gestärkt und wächst? Was können wir tun, um dieses Ergebnis zu erreichen?

Die Antwort aus unserem Text lautet: nichts! Glaube ist nicht das Ergebnis einer menschlichen Handlung, sondern ein Geschenk Gottes. Gott lässt entstehen, Gott lässt wachsen, Gott schenkt Gelingen, der Mensch ist nichts weiter als ein staunender Zuschauer.

Und genau hier setzen die Probleme ein. Wenn Gott Glauben schenkt, wie kann er dann Nicht-Glaube bestrafen? Wenn Gott das Wachstum im Glauben gibt, was ist dann mit all den Predigern, die bestimmte Verhaltensweisen fordern, wie ein Übergabegebet, die Taufe, ein geheiligtes Leben usw. Ist das alles vergeblicher Aktionismus, der sowieso zu nichts führt?

Ja und nein. Um diese Frage zu bedenken, müssen wir uns von beiden Seiten nähern, von der grundsätzlichen Seite und von der menschlichen Seite. Zuerst grundsätzlich gilt: Glauben kann man nicht machen. Glaube ist die feste Überzeugung, dass etwas richtig ist, was man nicht sehen und nicht beweisen kann. Auf Glaube kann man sich einlassen, man kann Glauben ausprobieren, man kann gewisse Verhaltensweisen üben, aber diese innere Kraft, die Überzeugung, dass es richtig ist, was man tut, das kann man nicht selbst erzeugen. Das ist wie von selber einfach da und wird auch wie von selber stärker und fester. Es ist Gott, der diesen Glauben schenkt.

Ich mache mir das immer klar an dem Weg, den ich selber gegangen bin. Ich kam ja aus einer atheistischen Haltung, der Überzeugung, dass das mit Gott eine Erfindung von Menschen ist. Durch verschiedene Erlebnisse und Begegnungen bin ich dann ins Nachdenken geraten und wurde unsicher. Könnte das mit Gott vielleicht doch richtig sein? Gibt es einen Weg für mich, mich zu überzeugen, was wahr und was falsch ist? Ich versuchte damals herauszufinden, ob sich Gott in irgendeiner Weise beweisen oder widerlegen ließe. Doch ich fand keinen Weg, wie man das anstellen könne, so wie die Menschheit in 2000 Jahren keinen Weg gefunden hat, Gott zu beweisen oder zu widerlegen.

Schließlich gab ich auf, ich sagte zu Gott "Wenn es dich gibt, dann tu was. Wenn Du nichts tust, dann muss ich wohl die Konsequenz ziehen und annehmen, dass du gar nicht existierst". Und damit ließ ich die Frage fallen, die mich zuvor über mehrere Wochen hin ausgefüllt hatte, schließlich hatte ich eine Diplomarbeit zu schreiben. Doch Gott handelte. Schon zwei Wochen später merkte ich, dass sich etwas verändert hatte. Der Zweifel war weg und statt dessen hatte eine tiefe Überzeugung Raum gewonnen, dass dieser Gott nicht nur da ist, sondern sich die ganze Zeit liebend und verstehend mit mir beschäftigt hatte. Es war Gott, der den Glauben bei mir entstehen ließ.

Und das ist es, was Paulus hier meint. Gott lässt Glauben entstehen, Gott lässt Glauben wachsen, Gott ist es der in seiner Weisheit, in seiner Liebe handelt. Und doch ist der Mensch kein reines Objekt, kein Ding, an dem nur gehandelt wird. Solange ich das Problem selber lösen wollte, solange ich derjenige war, der handeln wollte, solange ließ Gott mir den Raum dazu. Mein Beitrag war es einzusehen, dass ich selber nichts tun konnte. Ich musste loslassen und an Gott abgeben, damit er handelte.

Und damit ergibt sich auch die Antwort auf die obige Frage. Wenn ich mich selber als Herr einsetze, selber meinen Glauben erzeugen oder stärken will, wenn ich mit Aktivitäten wie Gebeten oder heiligen Handlungen oder Selbst-Kasteiungen erreichen will, dass mein Glaube wächst oder stärker wird, dann nehme ich Gott das Heft des Handelns aus der Hand und Gott lässt das auch zu. Aber mein Ziel werde ich nicht erreichen. Aber wenn ich loslasse und Gott machen lasse, dann wird Gott handeln und als Konsequenz davon, wird mich das dazu bringen, dass ich im Gebet niederfalle, mit Freude heilige Handlungen verübe oder meine Schuld einsehe.

Nun auch das ist eine alte christliche Weisheit, lasse los und übergib Deine Sorgen an Gott. Aber diese Weisheit ist doch auch nur eine Phrase, denn auch das Loslassen lässt sich nicht irgendwie machen. So bin ich nach wie vor so gestrickt, dass ich lieber selber handele. Gott hat mich mit einigen Gaben ausgestattet und die will und soll ich auch einsetzen. Ob ich arbeite, ob ich hier predige, ob ich meine Freizeit verbringe, es ist im Wesentlichen ich, der handelt. Und so ist es für mich sehr selten, dass ich Gott selber am Werk verspüre, denn es passiert nur selten, dass ich loslasse und Gott den Raum gebe zu handeln. Natürlich weiß ich um Gottes Gegenwart und danke ihm auch, wenn ich Ideen habe, wenn mir etwas gelingt, sogar, wenn ich Dinge falsch mache. Ich weiß, Gott ist da, er kennt mich und versteht mich und steht auch bereit, wenn ich mal wieder an einen Punkt komme, wo ich aufgeben und die Sache ihm übergeben muss.

Und so sehe ich auch die Veränderungen, die sich bei mir im Glauben ergeben haben. Früher war das Wissen um Gottes Gegenwart neu, ich war begeistert von dem Gefühl in liebenden und sicheren Händen zu sein und dieses neue Gefühl hat mir das Herz und den Mund gefüllt. Doch jetzt, 20 Jahre danach, habe ich mich an Gott gewöhnt, die Begeisterung ist Gewohnheit geworden und so reagiere ich auch anders als damals. Ich sehe das nicht als Verschlechterung des Glaubens, sondern als Reifung und als Teil des normalen Lebens.

Liebe, die Fähigkeit, das Unmessbare zu messen

In unserem Text schreibt Paulus weiter:

In der Liebe verwurzelt und in sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt

Was Paulus sagt ist, dass die Basis, auf der Glaube ruht und wächst, nicht die Erkenntnis ist, nicht der Intellekt, sondern die Liebe. Gott liebt uns, das sollen wir spüren und in unseren Herzen verankern. Wir sollen in der Liebe verwurzelt sein. Mit Hilfe der Liebe können wir alles erahnen oder akzeptieren. Ahnen oder akzeptieren, das kann der Verstand nicht. Der Verstand will verstehen oder wissen. Doch gerade das ist uns in der tiefsten Tiefe, in der breitesten Breite in der längsten Länge und der höchsten Höhe verwehrt. Es gelingt uns nicht.

Ich muss zugeben, dass diese Tatsache für mich ein Ärgernis ist. Viele Menschen sagen: Wenn ich sowieso nicht alles verstehen kann, versuche ich erst gar nicht zu verstehen. All die komplexen und tiefgehenden Fragen werden erst gar nicht angedacht oder mit oberflächlichen und schlecht durchdachten Ideen abgetan. Warum gibt es Leid? Warum greift Gott nicht ein, wenn er doch allmächtig ist. Warum zeigt sich Gott nicht in aller Deutlichkeit? Warum musste Jesus sterben, was ist denn der Zusammenhang mit meiner Sünde? Wieso werden meine geringfügigen Verfehlungen gleich so groß gemacht? Warum ist Jesus noch nicht wiedergekommen? Usw. usw. Natürlich hat die christliche Theologie hier versucht, Antworten zu finden, doch sehr häufig, ist das, was in Gottesdiensten oder Bibelunterricht dazu gesagt wird, sehr oberflächlich. Und für jemanden wie mich, ist das ein Ärgernis. Ich bin ein Mensch, der vom Intellekt getrieben wird. Ich möchte verstehen, ich möchte wissen. Aber ich weiß auch, dass ich den Boden der Fragen niemals erreichen werde. Doch ich bin auch überzeugt davon, dass es trotzdem vernünftig ist, so weit zu gehen, wie möglich. Das ist mein Ehrgeiz und darum habe ich auch dieses Buch geschrieben.

Was Paulus aber sagt ist, wenn ich auf dem Boden der Erkenntnis angekommen bin, wenn ich nicht mehr weiter weiß mit meinem Verstand, dann ist da trotzdem etwas, was weiter reicht, die Liebe. Im Herzen kann ich das tiefe Vertrauen zu Gott entwickeln und die Liebe zu meinem Nächsten. Und selbst wenn ich Gott nicht verstehe, wenn ich meinen Nächsten nicht verstehe, wenn ich die Welt nicht mehr verstehe, so kann die Liebe und das Vertrauen doch die Beziehung aufrecht erhalten, mich doch dazu bringen, dass ich in Geduld ausharre, bis die Zeit oder Gott selber mir die Antworten bringt, die ich von mir aus nicht erreichen kann.

Und daher können wir die Menschen, die das nicht schaffen, die in ihren Fragen zu Gott und der Welt stecken bleiben und sagen: Gott gibt es nicht, weil diese Fragen nicht logisch beantwortbar sind, nur bedauern. In der Diskussion mit atheistisch eingestellten Menschen werden wir zugeben, ja zugeben müssen, dass auch unsere Erkenntnis beschränkt ist, dass auch wir viele Antworten nicht haben, aber wir werden auch immer wieder sagen, dass unser Glaube trotzdem fest steht, weil wir einfach im Herzen spüren, dass er richtig ist. Und genau das ist das Problem der atheistisch eingestellten Menschen, dass sie dieses Gefühl nicht nachvollziehen können, weil Glauben kann man nicht machen.

Gott, der mehr tun kann als wir erbitten oder uns vorstellen können

Und auch die Folgerung, die Paulus aus dieser Situation zieht, stellt uns vor Anfechtungen. Gott kann durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun, als wir erbitten oder uns vorstellen können. In Situationen, wo wir nur noch verzweifeln oder resignieren können, kann Gott immer noch handeln, bei dem Menschen, der jeden Gedanken an Gott ablehnt oder abblockt, bei der Gemeinde, die schon lange tot ist, bei der gesellschaftlichen Situation, die wegen ihrer Gewalt und ihrem Unrecht nicht überwindbar scheint, Gott kann viel mehr tun als wir erbitten oder uns vorstellen können. Sich so etwas klarzumachen tröstet und ermutigt. Aber der Blick in die Realität zeigt zu oft, dass Gott doch nicht tut, dass unsere Bitten unerfüllt bleiben und Dinge, die wir uns sehr wohl vorstellen können, nicht passieren.

Warum handelt Gott so oft nicht, warum bleibt er stumm auf so viele Bitten, warum läßt er uns so oft mit unseren Hoffnungen sitzen? Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort: wir wissen es nicht. Die einzige Antwort, die die Bibel uns gibt, ist die, die Hiob erkennen musste. Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, gelobet sei der Herr. Aber das ist leicht gesagt, wenn jemand fernes wie Hiob betroffen ist, wenn man theoretisch über dieses Problem nachdenkt, wenn man mit einer guten Distanz die Frage diskutiert. Doch was ist, wenn man selber betroffen ist, wenn der Schmerz der eigene ist, wenn die Trauer einen selbst erfüllt und alles, aber auch alles in Frage gestellt wird?

Ich denke, in diesen Situationen gerät man in die tiefsten Gründe dessen, was Glaube ausmacht. In so einer Situation hilft einem keine theologische Abhandlung, kein theoretisches Gebilde wie die Erkenntnis, dass uns erst das Unglück fähig macht, das Glück zu begreifen oder dass wir sündig sind und deshalb Strafen leiden müssen oder so. Nein solche Gedanken sind Gedanken des Verstandes und wenn wir leiden, bleibt der Verstand aussen vor. Ein möglicher Weg in diesem Tal der Tränen Halt zu finden ist jemand zu haben, der mitleidet, der nicht erklärt und nicht begründet, sondern einfach da ist und weiss, was wir fühlen. Und deshalb ist der Weg, den Jesus gegangen ist so wichtig. Mir fällt immer auf, wie unterschiedlich die Evangelien die Kreuzigung Jesu darstellen. Johannes zum Beispiel schildert sie mit einem Jesus, der jederzeit Herr der Lage ist, der eben noch ein paar Schriftworte erfüllt und seine Familienangelegenheiten regelt, bevor er sich an seine Aufgabe erinnert und verstirbt. Ich habe festgestellt, das ich diese Schilderung nicht mag, selbst wenn es im Johannesevangelium viele wichtige und gute Stellen gibt. Nein, ich habe festgestellt, dass ich die Schilderungen mag, in denen Jesus als der Leidende gezeigt wird, in denen er schreit "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen", wo er all den Schmerz, all die Trauer und all die Hoffnungslosigkeit ausdrückt, die auch mich überfällt, wenn ich so richtig unten bin.

Denn das, was mir in so einer Situation letztlich hilft, ist die Geborgenheit in Gott. Wenn ich seine Liebe spüre, wenn ich fühle, dass Gott weiss, was mich bewegt und wenn ich weiss, dass ich ihm vertrauen kann, dass er mich da rausholt, dann und nur dann bekomme ich die Kraft weiter zu machen, mich meinem Leid zu stellen und letztlich und irgendwann auch, aus dem Leid herauzukommen.Diese Gefühle, dieses Vertrauen und diese Gott-Bezogenheit können aber nur entstehen, durch das Mensch Sein Jesu, durch das, was Jesus selbst erlebt hat.

Die Kirche, die Gott verherrlichen soll

Diese Gedanken führen dann auch zu dem letzten Punkt, den Paulus in unserem Predigttext anspricht. Gott soll verherrlicht werden durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen für ewige Zeiten. Weil Gott den Glauben in uns wirkt und stärkt, weil er die Basis ist, auf der auch unsere Liebe steht und weil er uns und unser Leben so vollkommen in der Hand hat, deshalb soll er auch verherrlicht werden in allen Generationen und zwar durch die Kirche und durch Chrsitus Jesus.

Zuerst erhebt sich die Frage, was ist das eigentlich, Gott zu verherrlichen? Verherrlichen drückt zunächst etwas aus, was nach außen wirkt. Durch die Verherrlichung Gottes soll Außenstehenden bewußt gemacht werden, was Gott ist und welche Position er inne hat. Durch Verherrlichung sollen Außenstehende ins Staunen kommen und dazu gebracht werden, die Größe Gottes anzuerkennen. In den vergangenen Jahrhunderten hatte man da eine ganz bestimmte Vorstellung. Gott wurde verherrlicht durch prächtige Kirchenbauten, durch glanzvolle Ausstattungen der Gottesdiensträume, durch prunkvolle Bekleidung der Repräsentanten Gottes. Doch mittlerweile hat sich der Zeitgeist in dieser Hinsicht gewandelt. Zu dicht war das Verherrlichen Gottes durch solche Äußerlichkeiten verbunden mit der nur allzu menschlichen Prunksucht und dem menschlichen Drang nach Hoheitssymbolen, die die eigene Wichtigkeit unterstreichen.

Nein, das Verherrlichen Gottes geschieht viel besser mit dem, was Gott uns selber gegeben hat, durch die Liebe ausgedrückt in Wort und Tat. Tue Gutes und zeige auf Gott, könnte man in Abwandlung eines Sprichwortes formulieren. In der Bibellese letzte Woch war die Apostelgeschichte dran, in der Paulus und Johannes einen Gelähmten heilten und dann die Aufmerksamkeit nutzten, die diese Tat erzeugte, um auf Jesus und die Macht Gottes hinzuweisen. Das ist die Art und Weise, wie Gott verherrlicht werden soll.

Es ist interessant, dass Paulus in dieser Aufgabe der Verherrlichung die Kirche und Jesus auf einer Stufe nennt. Dass Gott durch Jesus, durch sein Leben, sein Gehorsam und sein Sterben verherrlicht wird, ist für uns irgendwie klar. Das Außenstehenden begreiflich zu machen ist heute, 2000 Jahre nach den Ereignissen, zwar ziemlich schwer, aber wenn jemand erst einmal begriffen hat, wie sehr ihn diese alten Geschehnisse angehen, dann sprechen sie für sich.

Erheblich problematischer ist da die Rolle der Kirche. Zu Paulus Zeiten gab es erst eine Kirche und die Apostel schafften es, wenn auch mit Mühe, die Einheitlichkeit zu erhalten und die Kirche damals konsequent auf Gott hin auszurichten. Doch 2000 Jahre Kirchengeschichte hat das zerstört, auch und gerade im christlichen Bereich ist die Vielfalt der Stimmen heute normal. Und die Sünden und Vergehen, die durch Vertreter der Kirche im Namen Gottes im Verlauf der Ziet begangen worden sind und begangen werden, wiegen schwer. Man muss nicht einmal auf die Kreuzzüge zurückgehen um jede Menge Dinge zu finden, die im Argen liegen. Die Kirche ist eine menschliche Institution geworden und als solche wird sie auch wahrgenommen. Da hilft es nichts, wenn viele gläubige Christen sagen, dass die wahre Kirche aus denen bestehen, die Jesus nachfolgen und nicht aus der Institution, denn in der Aufforderung Paulus geht es um die Außenwirkung und die Menschen ausserhalb nehmen eben die menschlichen Strukturen wahr. Und insofern kann ich mich nicht zurücklehnen, wenn man auf den Papst schimpft oder wenn die evangelische Kirche sich wieder mal dem Zeitgeist beugt und Aktionen durchführt, die nichts mit dem Glauben an Jesus zu tun hat.

Wir müssen uns eingestehen, dass diese Aufforderung des Paulus, nämlich durch die Kirche Gott zu verherrlichen, heutzutage eigentlich gar nicht mehr durchführbar ist. Denn die Geschichte können wir nicht zurückdrehen und in der Vielfalt haben wir auch gar nicht die Macht und den Einfluß, Dinge zu ändern. Aber eines können wir tun. Nämlich die heutige Situation anerkennen und die Verherrlichung Gottes in dieser Situation neu lernen. Zunächst wäre es wichtig, vor unserer eigenen Haustür zu kehren und Glauben und Liebe dort demonstrieren, wo wir zu Hause sind. Aber dann können wir auch darstellen, dass wir in der Lage sind, Gott in der Vielfalt zu sehen und auf seine Herrlichkeit auch dann erkennen und preisen, wenn er durch unsere Geschwister in den anderen Kirchen handelt.

Wie und wann dies im Einzelnen zu tun ist, dafür gibt es keine Regel. Aber wir sollten uns bewussst machen, dass Jesus lebt, dass er nicht nur durch ein Buch zu uns spricht, sondern in jede aktuelle Situation herein auch direkt zu jedem von uns. Eben das macht die Macht und das Wesen des Glaubens an Jesus aus, dass sein Geist in uns wohnt und damit zu jedem Zeitpunkt und bei jeder Frage präsent ist.

Amen

Segen

Gottes guter Segen sei mit euch!

Um euch zu schützen, um euch zu stützen auf euren Wegen.

Gottes guter Segen sei vor euch!

Mut, um zu wagen, nicht zu verzagen auf allen Wegen.

Gottes guter Segen sei über euch!

Liebe und Treue immer aufs neue auf euren Wegen.

Gottes guter Segen sei um euch!

Heute und morgen seid ihr geborgen auf allen Wegen.

Gottes guter Segen sei in euch!

Sucht mit dem Herzen, leuchtet wie Kerzen auf allen Wegen.

Amen