Predigt Lk. 15, 11-32

Einleitung

Ein Mann hatte zwei Söhne. Der ältere der beiden war der Erbe, ihm gehörte alles, was der Vater besaß. Er war fleißig, gehorsam und diszipliniert, aber auch verschlossen und nur ganz selten brachte er es über sich, einmal den Vater darum zu bitten zu feiern und Freunde einzuladen. Aber es gab nur wenige, die er Freund nennen konnte, er war geachtet, respektiert, aber kaum ein Mensch liebte ihn. Und so fing er an, seinen jüngeren Bruder zu beneiden, der so gut mit Menschen zurechtkam, dem es leicht fiel Kontakte zu knüpfen und der mit allem auskam, trotz dem, was er schon alles verbrochen hatte.

Der Jüngere war lebenslustig, feierte gerne und ließ sich auch gerne mal treiben, aber er besaß nichts. Zwar hatte er bei seinem Vater genug zu essen, Kleidung und Unterkunft, er arbeitete auch auf dem Hof seines Vaters mit und die Untergebenen seines Vaters behandelten ihn mit Ehrerbietung, aber er durfte nichts sein Eigentum nennen und war immer darauf angewiesen, dass sein Bruder oder sein Vater ihm etwas schenkten.

Und mit der Zeit wuchs sein Groll über diese Situation und so fing auch er an, seinen Bruder zu beneiden. Er wäre gerne fortgegangen, aber ohne jegliches Startkapital war das ein schwerer Weg. Und daher fing er an, Gelder zu veruntreuen und mal hier und mal da heimlich etwas beiseite zu legen. Wenn er erst einmal genug beisammen hätte, dann würde er gehen und sich etwas Eigenes aufbauen, sagte er sich. Aber irgendwie kam es nicht richtig dazu, denn er feierte ja gerne und die Versuchung, das veruntreute Geld für Vergnügungen einzusetzen war groß.

Was würde der Vater machen, wenn die Veruntreuungen auffielen? Wie würde der Bruder reagieren? Und würde der Jüngere irgendwann die Disziplin aufbringen, das, was er hatte verantwortungsvoll zu verwalten und nicht immer seinen Schwächen nachzugeben?

Vielleicht hat diese Geschichte etwas bei Euch klingeln lassen, vielleicht hat sie Assoziationen geweckt. Ich hoffe ja, denn sie ist die von mir erfundene Fortführung einer Geschichte, die in der Bibel steht, eines der bekanntesten Gleichnisse von Jesus, die Geschichte vom verlorenen Sohn.

Der Predigttext

Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. 12 Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. 13 Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. 14 Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. 15 Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. 16 Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. 17 Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. 18 Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. 19 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. 20 Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. 22 Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. 23 Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. 24 Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. 25 Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. 26 Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. 27 Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. 29 Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. 30 Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. 31 Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. 32 Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

Der Kontext des Textes

Jesus erzählt dieses Gleichnis in der Auseinandersetzung mit den Pharisäern und Schriftgelehrten. Es soll die unterschiedliche Position Jesu darstellen, die er im Gegensatz zur herrschenden Meinung seiner Zeit einnimmt. Die jüdische Lehre ist geprägt vom Gesetz. Das, was die Juden gegenüber allen anderen Völkern ausmachte, war das Wissen darum, was Gott will, wie sich die Menschen verhalten sollen. Und daher ging es den Pharisäern und Schriftgelehrten um die Einhaltung des Gesetzes.

Ihr Standpunkt war dabei eindeutig. Man hatte die Gebote und Verbote einzuhalten, tat man dies nicht, so setzte es Strafe. Manchmal war die irdische Gerichtsbarkeit zuständig, aber häufig war es Gott und sein Gericht, um das es ging. Und schon damals waren die frommen Führer schnell dabei, die Menschen in verloren und gerettet einzuordnen. Ein Zöllner, eine Hure, ein Dieb, ein Verschwender, einer der leichtlebig ist, der konnte, das war allen Schriftgelehrten und Pharisäern klar, das Wohlwollen Gottes nicht erringen und würde nach seinem Tod wohl auf ewig im Feuer schmoren und für seine Taten büßen. Und um das auf der Erde schon einmal vorzubereiten, waren diese Menschen auch gesellschaftlich geächtet, standen am Rand und wurden entsprechend behandelt.

Jesus setzt einen anderen Akzent. Er hebt die Gnade hervor, die Vergebung, die aus der Erkenntnis wachsen kann, dass man etwas falsch gemacht hat. Er möchte speziell und gezielt auf die Menschen zugehen, die am Rand stehen, die ausgestossen werden, eben gerade weil sie es nicht schaffen oder nicht schaffen wollen, Gottes Gebote einzuhalten. Und genau hier soll das Gleichnis vom verlorenen Sohn ausdrücken, was wichtig ist. Der jüngere Sohn wendet sich von seinem Vater ab und ergibt sich ganz den Vergnügungen, konzentriert sich auf das Materielle, selbst um den Preis einer Loslösung vom Vater. Und deshalb ist er tot, wie auch der Vater im Gleichnis betont. Die jüdischen Führer hätten keinen Pfifferling mehr für diesen Sünder gegeben. Aber der Jüngere sieht seine Fehler ein, er sieht ein, dass er den Status als Sohn verloren hat und akzeptiert dies auch. Aber er sieht auch, dass er es selbst als Knecht bei seinem Vater besser hat, als wenn er auf sich allein und die Gnade der Menschen gestellt ist.

Und so kehrt er um. Er bereut, was er getan hat und bittet um Gnade. Er weiß, dass er nach allen menschlichen Maßstäben keine Chance mehr hat und findet mehr Gnade als er erhofft hatte.

Aber diese Gnade hat seine Schattenseite. Da ist der ältere Bruder, der treu geblieben ist, der sich Vergnügungen entsagt hat und seine Pflicht tut, wie von ihm erwartet wird. Solange er sehen kann, dass Menschen, die sich nichts um Treue und Pflichtbewusstsein scheren, bestraft werden, solange trägt er seine Lasten ohne zu Murren. Doch als er die Gnade sieht, die dem Jüngeren zuteil wird, ist er enttäuscht. Er hat das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Wenn es doch so einfach ist, Gnade zu erlangen, wieso sollte man sich überhaupt erst die Mühe machen, nicht in Ungnade zu verfallen? Wäre es nicht einfacher, so zu leben, wie es einem Spaß macht und lediglich dafür zu sorgen, rechtzeitig den Büsser herauszukehren?

So in etwa mögen die Gedanken des Älteren gewesen sein, als er so gar nicht erfreut über den Empfang seines Bruders war. Die folgenden Fragen schließen sich an dieses Gleichnis damit an:

Gnade und Gerechtigkeit

Die Beziehung zwischen Gnade und Gerechtigkeit ist sehr schwierig. In unserem Gleichnis hat der ältere Bruder ja lediglich das Gefühl, sich ungerechtfertigterweise Dinge versagt zu haben, die er eigentlich gerne gemacht hätte. Sich Dinge, die man gerne tut, um Gottes Gesetz willen zu versagen, ist eine typisch christliche Einstellung, und Christen wird ja sehr oft nachgesagt, dass sie Leib-feindlich und freudlos sind. Dagegen kann man auch getrost angehen, indem man auch als bekennender Christ die Freuden im Leben nicht links liegen läßt und zeigt, dass es möglich ist, zu feiern und Spaß zu haben, ohne in Abhängigkeit oder Gewalt zu verfallen.

Nein, das eigentliche Problem zwischen Gnade und Gerechtigkeit kommt hervor, wenn man selber von Unrecht betroffen wird. Wenn einem Gewalt angetan wird, man beraubt, geschlagen oder misshandelt wird, wenn man einen geliebten Menschen sterben oder leiden sieht und dabei ein anderer Mensch schuld ist.

Diese Schuld eines anderen kann schwer auf einem lasten und diese Schuld schreit nach Vergeltung, nach Rache oder mindestens nach Gerechtigkeit. Der Schuldige soll seine Strafe bekommen für all die Qualen, all das Leid, das er mir angetan hat. Manchmal wird menschliche Gerechtigkeit diese Strafe verhängen, aber allzu oft ist menschliche Gerechtigkeit nicht möglich. Es muss noch nicht einmal das Problem einer Straftat sein, die nicht bewiesen oder aus anderen Gründen nicht geahndet werden kann, es reichen Dinge, die nach menschlichen Maßstäben nicht bestraft werden können, wie das Leid, wenn eine Beziehung zerbricht oder die Qualen einer gesellschaftlichen Ausgrenzung.

Und hier hofft man als Gläubiger seit jeher auf Gott. Die Psalmen sind voller Schreie nach Gerechtigkeit, wenn man in der eigenen Ohnmacht keinen menschlichen Weg mehr sieht. Gott als letzter und oberster Richter wird Gerechtigkeit walten lassen und auch Dinge sühnen, die im Verborgenen geschehen sind, die niemand kennt als der Täter und sein Opfer oder noch krasser, die niemand kennt als das Opfer allein.

Und dann kommt Jesus und verkündet die Zeit der Gnade. Die Botschaft lautet, dass man einsehen muss, dass man vor Gott nicht bestehen kann, dass man verloren ist und alle Strafe verdient hat und dass Gott dann Gnade und Vergebung walten läßt. Wo bleibt da die Gerechtigkeit, wo die verdiente Strafe?

Das ganze Ausmaß des Problems wird durch einen Perspektivwechsel klar. Man stelle sich vor, ich bin nicht das Opfer, sondern der Täter. Es war ich, der dem anderen Leid zugefügt hat, der dem Anderen Gewalt angetan hat, der Unrecht getan hat. Wie ist dann meine Reaktion? Oft wird es ein Leugnen sein "ich habe doch gar nichts getan" oder ein Entschuldigen "der andere hat angefangen" oder "ich hatte gar keine Wahl", oder eine Verharmlosung "ja, ich bin ein wenig über das Ziel hinaus geschossen".

Alle diese Reaktionen kennt die Bibel auch und gerade im alten Testament ist die Strafe der Versuch, dem Schuldigen, mir, das Ausmaß der Schuld klarzumachen. Durch Strafe erfahre ich selbst Leid, durch Strafe wird mir klar gemacht, dass ich eben doch etwas getan habe, eben auch Schuld trage und diese eben nicht harmlos war.

Aber es kann der Moment kommen – sei es vor der Strafe, sei es danach – in dem mir das ganze Ausmaß der eigenen Schuld klar wird. In dem es mir als Täter gelingt, mich in das Opfer hinein zu versetzen, in dem ich begreife, was ich getan habe, wo ich nach meinen eigenen Maßstäben schuldig und verloren bin. Das einzige, was mir in diesem Moment noch helfen kann, ist Vergebung, ist Gnade. Und das ist der Moment, in dem ich froh bin, dass Gott ein gnädiger Gott ist, dass Gott bereit ist, mich wieder unter den Lebenden aufzunehmen. Das gilt auch und insbesondere dann, wenn das Opfer nicht mehr in der Lage ist, mir selbst zu vergeben.

Ich muss bei solchen Überlegungen immer an eine ehemalige Nachbarin denken. Die Ehe kriselte, der vierjährige Sohn war sehr schwierig, die Nachbarin entwickelte Depressionen. Und in einem Depressionsanfall hat sie ihren Sohn getötet. Nach menschlichen Maßstäben war die Frau nicht schuldfähig, sie wurde am Ende freigesprochen, aber die Schuld war trotzdem mit aller Macht da. Nur die Zuwendung zu Gott hat diese Frau am Ende gerettet. Vorher hatte sie mit Gott und Kirche wenig zu tun gehabt, aber durch das Leid und durch ihre Schuld entwickelte sie eine Beziehung zu Gott und konnte weiterleben, konnte woanders eine neue Existenz entwickeln.

Aber Gnade, wenn ich Täter bin und Gerechtigkeit, wenn ich Opfer bin? So zu denken ist nicht richtig, wir brauchen einen Weg dazwischen. Und dieser Weg ist es, alles bei Gott abzugeben, sowohl als Opfer wie als Täter. Auch als Opfer ist es wichtig, sich durch den Ruf nach Vergeltung nicht ständig und immer wieder durch die Tat versklaven zu lassen, sich selbst unabhängig zu machen von den Geschehnissen der Vergangenheit. Nur dann ist man wahrhaft frei. Dies kann gelingen, indem man sich selbst als Ankläger und Richter absetzt und die Tat abgibt an Gott, damit dieser in seiner Weisheit und seiner Größe gerecht und umfassend richten kann. Genau das wird in den Psalmen immer und immer wieder deutlich.

Und als Täter bleibt nur der Weg der Einsicht, der ehrlichen Schulderkenntnis und der Bitte um Vergebung. Auch das ist eine Abgabe an Gott. Und so wird Gott durch Gnade und Vergebung jedem gerecht, dem Opfer und dem Täter, es ist eben allein Gott, der das richtige Gleichgewicht zwischen Gerechtigkeit und Gnade bewahren kann.

Gnade und die Folgen einer Tat

Durch Jesus und die Bibel haben wir die Zusicherung, dass Gott ein gnädiger Gott ist, dass wir Vergebung finden werden, wenn wir sie wahrhaftig suchen. Durch Vergebung kann die Last der Schuld von mir genommen werden und der Weg ins Leben wieder frei sein.

Doch die Folgen der Tat werden trotzdem spürbar bleiben. Vergebung heisst nur, dass die Strafe, die man verdient hat, einem erlassen wird, nicht aber, dass das, was man getan hat, ungeschehen oder vergessen wird.

Das habe ich mit der kleinen Geschichte am Beginn meiner Predigt ausdrücken wollen. Das Gleichnis vom verlorenen Son endet damit, dass der Jüngere ins Leben zurückkehrt und wieder in seine Familie aufgenommen wird. Aber was dann? Das Erbe hatte er sich auszahlen lassen, also hatte er keinen Anteil mehr an dem Besitz seines Vaters. Der Ältere hatte damit die privigilierte Stellung des Alleinerbes, die mit entsprechenden Rechten einher ging. Der Gegensatz zwischen den Brüdern, der vermutlich überhaupt erst dazu geführt hatte, dass der Jüngere von zu Hause weggehen wollte, bleibt bestehen. Und damit ist der Boden gelegt für neue Schuld, neue Konflikte, neue Probleme und das trotz der erfahrenen Vergebung.

Und natürlich, wenn die Geschichte so weitergeht, wie ich sie ersonnen habe, erhebt sich die Frage, was ist, wenn der Jüngere wieder Schuld auf sich lädt, wieder das Falsche macht und von dem Vater und dem Bruder wieder ertappt wird. Wie wird seine Strafe diesmal sein, wo er zeigt, dass er ein unverbesserlicher Sünder ist, wird er diesmal wieder Vergebung erfahren, wenn er einsieht, dass er schon wieder daneben gegriffen hat? Jesus antwortet dazu auf die Frage seiner Jünger, wie oft man seinem Bruder vergeben müsse in Mat. 18,22: "Nicht siebenmal, sondern sieben mal siebenundsiebzig mal musst Du Deinem Bruder vergeben". Und was Jesus von seinen Jüngern fordert, wird er selber ebenfalls einhalten. Ja, auch wenn der Jüngere auf Grund seines Charakters immer und immer wieder in Unrecht hineinläuft und nichts dazulernt, wenn er sein Unrecht einsieht und wenn er wahrhaftig bereut, dann wird er Vergebung finden.

Das zeigt auch, dass Vergebung nicht etwas ist, was man einmal erwirbt und dann für immer hat. Vergebung muss immer und immer wieder neu geschenkt und angenommen werden, da wir immer und immer wieder schuldig werden. Denn die Situation, die Umstände, unser Charakter, der zu der bösen Tat, der Sünde geführt hat, ist ja noch da und auch die Folgen einer Tat kann noch lange Zeit wirksam bleiben.

Hier besteht eine gewisse Gefahr und ein Widerspruch im christlichen Denken. Unsere Lehre besagt, dass Jesus ein für alle Mal für unsere Sünden bezahlt hat, ein für alle Mal durch sein Blut unsere Schuld rein gewaschen hat, ein für alle Mal die zerbrochene Verbindung zu Gott wieder hergestellt hat. Dies ist nicht geschehen durch etwas, was wir geleistet haben, sondern durch die Gnade Gottes. Und Paulus betont, dass uns nichts aber auch gar nichts trennen kann von der Liebe Gottes in Jesus Christus.

So formuliert hört es sich an, wie ein Besitz, den man einmal erwerben kann, wie ein einmaliges Ereignis, das wir durch die Taufe und durch das Empfängnis des Geistes feiern. Doch so richtig das auch ist, so wenig berücksichtigt diese Formulierung die Realität des Lebens im Glauben.

Denn wir leben noch nicht im Reich Gottes, Jesus ist noch nicht wieder gekommen, die Vollkommenheit hat uns noch nicht eingeschlossen. Wir leben hier auf der Erde und müssen uns jeden Tag mit den Unzulänglichkeiten unserer Umwelt und von uns selbst herumschlagen. Jesus hat uns eine Beziehung zu Gott ermöglicht und aufgebaut, die wir vorher nicht hatten. Der heilige Geist spricht uns Mut zu und hilft uns im leben und beten, etwas was wir vorher nicht hatten, aber leben, leben müssen wir trotzdem immer noch selbst. Und leben bedeutet, dass wir uns auseinandersetzen müssen, mit Konflikten, mit Versuchungen, denen wir erliegen, mit negativen Gefühlen, mit Hass, Leid, Fehlverhalten, Sünde. Alle diese Dinge sind nach wie vor bei uns und daher brauchen wir nach wie vor immer neu die Bitte um Vergebung oder die Bitte um die Fähigkeit, frei zu werden von dem Leid, das uns andere angetan haben.

Ich kenne genug Stimmen, die diese Art des Denkens verdammen, die sagen, dass Christen das Leid und das Unrecht auf die leichte Schulter nehmen, weil sie ja nach Belieben sündigen könen, denn es wird ihnen ja dann vergeben. Und diese sozusagen automatische Vergebung empfinden sie als Schlag ins Gesicht für die Gerechtigkeit und für das Leid der Opfer.

Bereuen und Gnade

Doch wer so argumentiert, der verkennt die Realität der Bereuens, verkennt die Komplexität des Prozesses, der mit Verarbeiten und Vergebung von Unrecht einhergeht. Denn auch ein gläubiger Christ ist nicht automatisch rein gewaschen, auch für einen gläubigen Christen genügt es nicht, ein paar Ave Maria zu beten und alles ist gut. Bereuen ist eine innere Angelegenheit, die wir Menschen nur mühsam an äußeren Zeichen festmachen können. Echtes Bereuen geht unter die Haut ins Herz und echtes Bereuen ist immer mit eigener Qual verbunden, ob der Schuld, die man auf sich geladen hat.

In dem Szenario, dass die Kritiker der christlichen Einstellung vorbringen, wid suggeriert, dass das Bereuen des Schuldigen nur oberflächlich ist, nur an ein paar magischen Worten liegt, die so dahingesagt sind. Doch wer Gott um Vergebung bittet, es aber gar nicht so meint, der in seinem Inneren eine ganz andere Einstellung hat, der spottet und verhöhnt Gott. Und Gott läßt sich nicht verhöhnen und wird diesem Menschen eben nicht so einfach vergeben.

Heißt das nun, dass man damit auch als gläubiger Christ das ewige Leben bei Gott verspielt, dass man sich seine Seligkeit doch durch gute Werke verdienen muss? Keineswegs, die Bibel kennt mehrere Stellen, die sich mit der Problematik von Christen auseinandersetzten, die eigentlich neu geboren, eigentlich befreit sind und die trotzdem sündigen. Die eindringlichste Stelle in diese Richtung ist meines Erachtens 1. Kor. 3, 15, wo Paulus schreibt:"Sie werden gerettet werden, aber wie durch Feuer hindurch".

Der katholische Volksglauben hat aus dieser Stelle die Vorstellung des Fegefeuers gemacht, aber ich verstehe diese Stelle etwas anders. Wenn ich Unrecht begehe und keine Reue empfinde, dann liegt das in der Regel daran, dass ich mich selbst blockiere. Ich weigere mich, mein Unrecht zur Kenntnis zu nehmen, ich verdränge es, vergesse meine Anteile der Schuld, ich biege mir die Wirklichkeit zurecht, damit sie mir passt. Doch wenn ich vor Gott stehe, dann wird er diese Blockade in mir zerbrechen, er wird mir meine Schuld in aller Klarheit vor Augen führen. Und dieser Moment, in dem ich meine Schuld erkenne und das Leid, das ich erzeugt habe, vor Augen habe, ohne dass ich daran noch etwas ändern oder es gut machen kann, das wird ein Moment sein, der wie Feuer in meiner Seele brennen wird.

Und so wird klar: Gottes Gnade ist umfassend. Sein Erbarmen gilt für jeden und immer, aber billig ist die Gnade nicht. Jeder von uns sammelt in seinem Leben Dinge an, die er bereut und sie werden alle ans Tageslicht kommen, ohne Ausnahme. Sorgen wir dafür, dass wir die Qualen, die wir dadurch erleiden, dass wir unsere Schuld einsehen müssen, bereits jetzt während unseres Lebens fühlen, denn nur dadurch können wir sie verarbeiten und frei davon werden.

Aber denken wir auch immer daran, bereuen ist etwas was wahrhaftig im Herz vorgeht und Gott läßt sich nicht spotten.

Amen

Segen

Als Christen leben wir mit und unter dem Segen Gottes

Dieser Segen soll uns begleiten in allem, was wir tun

Er soll uns begleiten in der Freizeit, bei der Arbeit, in der Familie und der Gemeinde

Und diesen Segen will ich uns jetzt zusprechen

Der Herr segne uns und behüte uns..

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

So segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,

Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Amen