Predigt Johannes 16, 23b-28,33
Einstieg
Hören des Liedes Mercedes Benz
Dieses Lied, das wir gerade gehört haben, hat Klaus Lage anlässlich eines Live-Auftritts gesungen. Es stammt nicht von ihm, sondern ist die Übersetzung eines Liedes von Janis Joplin aus den 70er Jahren.
Welche Gedanken gehen uns bei diesem Lied durch den Kopf? Will uns der Sänger in unserem Glauben verspotten? Herr schenke mir einen Mercedes-Benz, ein Eigenheim, eine durchzechte Nacht mit Freunden. Welch merkwürdige Dinge, Gott darum zu bitten. Also nur Spott oder doch eine Art amerikanisches Verständnis des Christ seins?
Vielleicht macht der Sänger ja nur das, was wir eigentlich von uns aus tun sollten. Wie steht es denn mit Bitten, ganz konkreten Dingen, die wir an Gott herantragen? Um dieses Thema soll es bei der heutigen Predigt gehen. Dazu der Predigttext für den heutigen Sonntag aus Johannes, Kapitel 16, die Verse 23b-28 und 33
Lesung
Lesen des Textes Joh, 16, 23b-28, 33
Das textliche Umfeld
Der Predigttext wird von Jesus in einer extremen Situation gesprochen. Es ist die Zeit des Abendmahls. Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngern, die zum Teil noch gar nicht bereifen, was hier abgeht. Es ist die letzte Gelegenheit, noch ein paar letzte private und direkte Worte an die Jünger zu richten, bevor Jesus in Getsehmane ein letztes mal betet, um dann den Weg an das Kreuz zu gehen. All das sieht Jesus bereits auf sich zukommen, er weiss, dass nach diesem Abend nichts mehr so sein wird, wie vorher.
In so einer Situation redet man keinen Small-Talk. Man vertreibt nicht mit unwesentlichen Diskussionen die Zeit. Im Gegenteil, die Zeit ist kostbar und die Jünger werden in der Rückschau gerade diesen Moment besonders intensiv erleben. Für Jesus gilt, es ist dringend nötig, den Jüngern die wichtigsten Dinge zum Abschluss zu sagen. Im Johannesevangelium sind die lehrhaften, grossen Aussagen, die Jesus als den Sohn Gottes kennzeichnen, besonders im Zentrum. Unter all den Dingen, die Jesus ankündigt und anweist, ist der Predigttext der letzte Teil, bevor Jesus den Abend mit dem hohenpriesterlichen Gebet beendet und zum Garten Getsehmane aufbricht.
Eingeleitet wird der Abschnitt mit der letzten Ankündigung Jesu, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht. Er hatte diese Ankündigung schon mehrmals gemacht, aber die Jünger haben es offensichtlich vorgezogen, nicht weiter über diese schreckliche Möglichkeit nachzudenken. Doch dieses Mal können sich auch die Jünger nicht dem Moment entziehen und ich kann mir die entsetzten oder schmerzvollen Gesichter der Freunde Jesu gut vorstellen.
Daher lässt Jesus sie hier nicht dabei stehen. Nach der Ankündigung des Todes folgt die Ankündigung der Auferstehung und dann der Ankunft des heiligen Geistes für die Zeit, nachdem er zum Vater in den Himmel aufgefahren ist. Er will den Jüngern Mut machen, den Rücken stärken und damit vorbereiten auf die Wochen, die jetzt vor ihnen liegen.
Damit hat dieser Text im wesentlichen die Aufgabe, den Jüngern Mut zu machen. Durch den Tod Jesu werden sie sich verlassen, hilflos, ausgeliefert fühlen. Resignation und Angst wird sie überwältigen. In der Rückschau sollen sie sich aber an diesen Abend erinnern und damit entdecken können, was Gott für sie vorbereitet hat.
Dazu zählt die Ankündigung des heiligen Geistes, dazu zählt auch unser Text. Jesus will den Jüngern klar machen, dass sie nicht wirklich von ihm als Mensch abhängen. Er zeigt ihnen den direkten Weg zum Vater. Eigentlich sagt er lediglich: Was braucht ihr mich? Ihr habt für die Erkenntnis den heiigen Geist und wenn ihr etwas benötigt, dann fragt doch unseren Vater selbst. Ihr habt keinen Mittelsmann nötig.
Wir heute, im evangelisch-freikirchlichen Umfeld nehmen dieses als selbstverständlich hin. Aber wie war das mit den Jüngern? Was mutet Jesus ihnen hier zu? Wie war das Verhältnis von Gott zu seinem Volk vor diesem Moment?
Das biblische Umfeld
Gott um etwas zu bitten, ist etwas selbstverständliches in der Bibel. Gott der Herr ist der Vater, der Allmächtige, der alle Fäden in den Händen hält. Ihn als Adressat für Bitten zu haben, ist dasselbe, wie sich an eine sehr starke Instanz zu wenden. Dies war um so wichtiger als der Mensch zur Zeiten der Bibel und auch davor, vielen Vorgängen in Staat und Umwelt völlig hilflos ausgeliefert war. Sei es Angriffe von fremden Kriegern, sei es Willkür der eigenen Kriegern, seien es Umweltkatastrophen wie Dürre, seien es unheilbare Krankheiten, es gab zu der Zeit keine Hilfsfonds, keine UNO, keine sozialen Einrichtungen. In so einer Situation war die Hinwendung zu Gott der einzige Anker, den die Menschen hatten.
Demgemäss gibt es viele verschiedene Situationen, in denen Gott gebeten wird um etwas oder für etwas. Die Bibel gibt dabei ein etwas schiefes Bild wieder, denn sie schildert natürlich die Höhepunkte des Erlebens der Menschen von Gott und sagt wenig über das, was den kleinen, unbedeutenden Menschen der damaligen Zeit angeht. Aber einiges kann man aus den Beispielen, die die Bibel liefert schon lernen.
An erster Stelle sind natürlich die Erzväter und Moses zu nennen. Diese hatten direkten Kontakt und Umgang mit Gott. Dementsprechend direkt waren auch ihre Bitten.
In 1. Moses 18, 21-32 bittet Abraham um Soddom und Gomorrha, war aber nicht erfolgreich, weil sich keine 10 Gerechten in der Stadt finden liessen.
In 1. Moses 25, 21 bittet Isaak für seine unfruchtbare Frau Rebekka und Gott erhörte sein Bitten und er erhielt direkt Zwillinge.
In der langen Zeit als Führer des Volkes Israel bittet Moses Gott in den verschiedensten Situationen und immer tut Gott, was Moses sich erbittet, selbst in den so schwierigen Situationen am Berg Sinai, als Israel sich das goldene Kalb giesst. Gott will seine Strafe über Israel verhängen und Moses alleine übrig lassen, aber durch das beharrliche und dauerhafte Bitten von Moses werden die meisten Menschen gerettet.
Neben den Erzvätern sind die Propheten ebenfalls im direkten Kontakt zu Gott
Hier ist es oft der König, der z.B. zu dem Propheten Jeremia oder Jesaja kommt und ihm eine Frage oder Bitte an Gott vorträgt. Der Prophet hat dann die Aufgabe, dieses Gott vorzutragen. In diesen Beispielen wird deutlich, welche kultische und auch politische Entwicklung in Israel stattgefunden hat
Zu Beginn mit Moses, dann mit Josua und dann den Richtern war der Führer des Volkes Israel auch gleichzeitig der Kontaktmann zu Gott. Königtum und Hohepriestertum waren in einer Person vereint. Schon bei Moses war dabei eine klare Trennung zwischen dem Führer und dem Rest des Volkes zu erkennen. Selbst Aaron, als Bruder des Moses, hatte keinen so direkten Kontakt zu Gott wie Moses.
Nach der Bibel kam es in der Richterzeit zwar vor, dass es mehrer Führer in Israel gab, aber das war selten. Viel öfter kam es vor, dass kein Richter bestellt war. Israel hatte zwar ihre Kulthöhen und ihre Priesterschaft, aber diese Zeiten waren laut Bibel trotzdem gekennzeichnet als Zeiten des Schweigens Gottes.
Dann mit dem Beginn des Königtums, mit David und Salomon scheint sich dieses Bild der geistlichen und gleichzeitig politischen Führer Israels noch zu bestätigen. Aber schon Saul, der erste König Israels, hatte selbst keinen Kontakt mit Gott, sondern nutzte die besondere Nähe Samuels. David hat sich auch zunächst auf Samuel verlassen, lernte dann aber genauso wie Salomo Gott direkt kennen.
Nach Salomo entwickelt sich dann die Zweiteilung der Macht, der König als Führer der weltlichen Macht und die Priester als Führer der geistlichen Macht. Es entwickelte sich ein politisches System, das allen Beteiligten nutzte, in dem nur zu oft der eigentliche Kontakt mit Gott abriss. Diese Situation war auch noch zu Zeiten von Jesus akut. Die weltliche Macht war inzwischen auf den römischen Statthalter übergegangen und die geistliche Macht war zu oft auch nur mehr an den politischen Machtspielen als an Gott interessiert.
Natürlich erhebt sich da die Frage, wie der normale Mensch mit Gott Kontakt erhielt und mit dem, was er auf dem Herzen hat umging. In der Bibel wird darüber nicht sehr viel berichtet, aber ein paar Beispiele haben wir schon
In 1. Samuel 1, 17 ist die Geschichte von Hanna erzählt, die in ihrer Not der Unfruchtbarkeit im Tempel Gott ihr Leid klagt. Das tut sie unter der Aufsicht und mit zustimmung des Hohepriesters Eli. Aber sie wendet sich direkt an Gott und wird erhört.
Andere Beispiele sind die Geschichten der Ruth und der Ester, die jede in ihren besonderen Situationen Hilfe und Trost direkt bei Gott suchten.
In ganz besonderen Umständen greift Gott sogar selbst ein und fordert Menschen auf, zu bitten oder dieses gerade nicht zu tun.
In 1. Könige 3,5 fordert Gott Salomo auf, ihn um etwas zu bitten und die Bitte um Weisheit gefällt ihm so gut, dass er Salomo obendrein auch noch Macht und Reichtum gibt. Dies zeigt, dass die Aufforderung Gottes, eine Bitte an ihn auszusprechen kein Freibrief ist, sondern auch eine Art der Prüfung darstellt. Gott will, dass wir ihn bitten, aber er hat auch ganz klare Vorstellungen darüber, was „gute“, „vernünftige“ Bitten sind. Das heisst nicht, dass er nicht wie versprochen auch unvernünftige Bitten erfüllen würde. Hätte Salomo um Macht gebeten, dann hätte er diese Macht auch bekommen. Aber irgendwie ist klar, dass er mit dem Resultat dieser Bitten nicht auf die Dauer froh geworden wäre
In Jer, 11,14 fordert Gott den Jeremia auf, ihn nicht für Israel zu bitten, weil er so zornig über das Volk Israel ist, das anderen Göttern nachläuft, dass er bei einer solchen Bitte Probleme bekommen würde. Dies macht das merkwürdige Verhältnis zwischen Gott und dem Bittenden deutlich. Gott verpflichtet sich, Bitten zu erfüllen, gerade Jeremia hat er immer wieder versichert, dass er ihm zur Seite stehen wird. Es scheint fast so zu sein als hätte Gott Angst davor, dass Jeremia ganz menschliches Mitleid empfinden würde und ihn dann über Bitten dazu zwingen würde, von seiner Strafaktion abzusehen.
Ein weiteres interessantes Beispiel steht in Jes 7,10, wo Gott Ahas über Jesaja auffordert, ihn um ein Zeichen zu bitten. Aber aus Angst weigert sich Ahas, eine solche Bitte auszusprechen. Gott gibt das Zeichen trotzdem.
So weit das alte Testament. Im neuen Testament setzt sich dieses Bild fort.
Jesus wird zu seinen Lebzeiten als Prophet,als geistlicher Führer anerkannt. Die Menschen merken, dass er ein ganz besonderes Verhältnis zu Gott hat. An mehreren Stellen wird betont, dass Jesus ganz anders ist als die Priester und Schriftgelehrten, die eigentlich die geistliche Verbindung zu Gott aufrecht erhalten sollten.
Aber die Menschen merken einfach den Unterschied zwischen Heuchelei und Echt-Sein. Damit war es ganz selbstverständlich, dass Jesus als Person angegangen wurde, um die Wünsche der Menschen an den so unnahbaren Gott heranzutragen. Auch bei den Jüngern war das der Fall. Es entwickelte sich ein ganz normales Meister - Jünger Verhältnis, eine Hierarchie, in dem Jesus das Bindeglied zu Gott darstellt.
Etwas Neues entsteht
Mit unserem Predigttext entsteht etwas neues. Jesus erklärt die alte Ordnung für überholt. Er betont, dass es nicht mehr notwendig ist, indirekt über einen Vermittler an Gott heranzugehen. Das „Priestertum aller Glaubenden“ wird hier begründet.
Dabei erfindet Jesus aber nichts wirklich Neues, sondern er stellt nur die Ordnung her, die Gott von Anfang an für seine Kinder vorgesehen hat. Die Prophezeiung dafür steht in Hes 11, 19-20 und in Joel 3,2 „Und nach diesem will ich meinen Geist ausgiessen über alles Fleisch und Eure Söhne und Töchter sollen weissagen, Eure Alten sollen Träume haben und Eure Jünglinge sollen Gesichte sehen“ Mit anderen Worten: ganz normale Menschen werden können, was bis dahin lediglich den Propheten und Priestern vorgesehen war. Die Notwendigkeit von besonderen Mittelsmenschen wird sich erübrigen.
Es ist interessant zu sehen, dass diese Lektion von der Kirche sehr schnell wieder vergessen wurde. Lange Jahrhunderte war dem gemeinen Volk der direkte Zugang zu Gott verwehrt. Erst mit der Reformation setzte sich dieses Wort von Jesus wieder in die Realität jedes Christen um.
Bitten setzt eine Beziehung voraus
Aus diesen Beispielen des AT und NT kann man verschiedene Schlüsse ziehen. Der erste und wichtigste wäre der folgende, eigentlich selbstverständliche Schluss: Um an Gott eine Bitte vortragen zu können, benötigt man eine Beziehung zu Gott.
Diese selbstverständliche Aussage ist aber gar nicht so einfach. Denn Gott ist heilig. Gott zu begegnen war und ist etwas, was über die Vorstellungskraft der Menschen hinausgeht. In der Bibel wird sogar betont, dass nemand die direkte Gegenwart Gottes aushalten kann, wer ihn sieht, wird sterben, vergehen wie ein Streichholz, das in die Sonne geworfen wird.
In früheren Zeiten hat diese Heiligkeit Gottes dazu geführt, dass Menschen nach ungefährlicheren Wegen gesucht haben, sich Gott zu nähern. Auch Gott selbst erkannte diese Notwendigkeit und hat daher durch Moses rituelle Formen einführen lassen, die letztlich zu der Entstehung einer Priesterschaft geführt haben.
In unserer heutigen Zeit sieht das etwas anders aus. Den meisten Menschen ist nicht mehr viel heilig. Heutzutage ist es eher die Fremdheit Gottes, die verhindert, dass Menschen eine Beziehung zu Gott aufbauen können. Ich habe es schon oft erlebt und auch selbst so gedacht wie kann ich mich denn an Gott wenden, wenn ich gar nicht an ihn glaube.
Besonders klar ist mir das geworden in der Zeit als ich auf dem Weg war, Christ zu werden, es aber noch nicht war. Ich geriet in eine Diskussion mit einem Prediger von der Bonner Stadtmission und als wir unsere Diskussion beendeten, wollte er, dass wir uns hinsetzten, um zusammen zu beten. Ich aber habe mich geweigert, so etwas zu tun, denn es war klar für mich, dass ich nicht zu jemanden reden kann, von dem ich gar nicht wusste, dass er da war. Dennoch war dieses Ansinnen letztlich der entscheidende Anstoss, dass ich mich am Ende Gott öffnen und diese fehlende Beziehung aufbauen konnte.
Die direkte Beziehung durch Jesus
Aber ob es nun die Scheu auf Grund der Heiligkeit oder die Scheu auf Grund der Fremdheit ist, Jesus will, dass wir diese Scheu verlieren. Durch ihn und seine Person, durch seinen Namen wie er sagt kann die Distanz zu Gott aufgehoben werden.
Auch wenn Gott so heilig ist, dass wir ihn nicht schauen können, Jesus war Mensch, Jesus ist zu uns in unsere Unheiligkeit gekommen. Ihn können wir anschauen, in ihm haben wir das Abbild Gottes. Auch wenn Gott fremd und unverständlich ist, Jesus ist konkret, er hat unser Leben gelebt und unsere Leiden gelitten. In Jesus haben wir den Anker, uns Gott so zu nähern, wie es sonst nur besonderen Personen vorbehalten war.
Jesus war es wichtig, dass seine Jünger das begreifen. Gleich zwei Mal sagt er ihnen „Bittet in meinem Namen und ihr werden erhalten“. Er betont sogar, dass nicht mehr er es ist, der die Bitten an Gott weitergibt, sondern dass die Jünger sich direkt an Gott wenden werden, wenn auch in seinem Namen.
Das Bitten in Jesu Namen
Der Name einer Person war in den Zeiten Jesu eine sehr wichtige Sache. Der Name war erheblich mehr als nur Schall und Rauch, er enthielt viel von der Macht, dem Sein der bezeichneten Person. Trat man z.B. im Namen des Königs auf, dann war das genauso als wäre der König selbst zugegen. Auch beim Vortragen von Forderungen und Bitten war die Verstärkung dieser Wünsche durch den Namen einer mächtigen Person eine wichtige Angelegenheit
Aber wegen dieser starken Wirkung des Namens war der Missbrauch dieser Wirkung ein durchaus schweres Vergehen. Wer im Namen des Königs auftrat, aber nicht seine Zustimmung hatte, der konnte schnell nicht nur seinen Einfluss, sondern auch sein Leben verlieren. Beim Bitten im Namen Jesu ist das im Grunde ähnlich. Die Bibel erzählt in Apg. 19, 13-16 eine durchaus komische Begebenheit,
Es unterstanden sich aber einige von den Juden, die als Beschwörer umherzogen, den Namen des Herrn Jesus zu nennen über denen, die böse Geister hatten, und sprachen: Ich beschwöre euch bei dem Jesus, den Paulus predigt.
(14)Es waren aber sieben Söhne eines jüdischen Hohenpriesters mit Namen Skevas, die dies taten.
(15)Aber der böse Geist antwortete und sprach zu ihnen: Jesus kenne ich wohl, und von Paulus weiß ich wohl; aber wer seid ihr?
(16)Und der Mensch, in dem der böse Geist war, stürzte sich auf sie und überwältigte sie alle und richtete sie so zu, daß sie nackt und verwundet aus dem Haus flohen.
Man sieht, es reicht einfach nicht, in Jesu Namen zu bitten, die Beziehung muss da sein. Das Auftreten in Jesu Namen muss legitimiert sein durch die Tatsache, dass man ein Kind des Herrn ist.
Bekommen wir alles?
Hier ist sie also, die Stelle, in der uns Jesus selbst auffordert, unsere Bitten an Gott loszuwerden. Die Worte, die er wählt , könnten nicht stärker sein:
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben.
Das ist schon starker Tobak. Ist noch dieses Lied in Erinnerung, in dem Klaus Lage um einen Mercedes Benz, ein Eigenheim oder eine durchzechte Nacht bittet. Erinnern wir uns an dieses Gefühl, von diesem Rocksänger verhöhnt zu werden.
Ich weiss nicht, in welcher Beziehung dieser Klaus Lage oder die Sängerin des Orginals Janis Joplin zu Gott steht, aber eines ist komisch. Indem sie diesen Song herausbrachte, der lange Zeit ganz oben in den Charts stand, hat sie vermutlich mehr als genug Geld verdient, um sich all die Sachen zu kaufen, um die sie gebeten hat. Dadurch dass sie ihren Wunsch aussprach, ging er in Erfüllung.
Dennoch, wenn ich Euch jetzt alle auffordern würde bis nächste Woche alle von Gott ein neues Auto zu erbitten, ich denke, Ihr würdet mich nicht nur für übergeschnappt halten, eine Prüfung nächste Woche würde vermutlich auch ein ziemlich trauriges Bild für die Autoindustrie ergeben.
Ganz so einfach ist dieses Bitten also auch wieder nicht. Gott lässt keinen Spott mit sich treiben und er ist auch keine blinde Wunscherfüllungsmaschine, wo man oben nur ein Gebet einschmeissen muss, um sich unten seinen Mercedes-Benz zu ziehen. Dennoch hat Jesus hier schlicht gesagt „bittet und Euch wird gegeben“. Wie so oft in der Bibel ist wieder einmal sowohl die Aussage von Jesus wahr als auch die Tatsache, dass wir eben nicht so einfach alles von Gott hinterhergeworfen bekommen.
Beispiele von versagten Bitten
Es gibt in der Bibel zwar nur wenige Stellen, in denen den Frontmännern des Glaubens direkte Bitten an Gott versagt worden sind, aber es gibt sie. Vielleicht lässt sich aus diesen Stellen erfahren, wie die Zusage von Jesus gemeint ist.
An erster Stelle könnte man Moses aufführen. Als Gott Moses beruft, am brennenden Dornenbusch in 2. Mos. 4,13 da bittet Moses: „Sende einen anderen“. Doch diese Bitte durchschaut Gott als das was es ist, als Angst und mangelndes Selbstvertrauen. Dahinter steckt die Angst zu versagen und das Bewusstsein, nicht in allen Dingen so fähig zu sein, wie es bei einem solchen Führer notwendig ist. Daher ist es kein Wunder, dass Gott nicht auf diese Bitte eingeht, sondern statt dessen Moses bestärkt und ihm als Helfer Aaron zur Seite stellt. Aber an diesem Beispiel sieht man, dass Gott vordergründige Bitten nicht beachtet, sondern viel mehr auf die wahren Hintergründe eingeht. Ist es nicht auch bei uns oft so, dass wir uns etwas wünschen, dieser Wunsch aber nur ein Mittel zum Zweck ist, um z.B. das Gefühl von Glück oder von Anerkennung zu erfahren. Selbst wenn uns das nicht so bewusst ist, wird Gott viel eher etwas für unsere Beziehungen zun als uns irgendwelche materiellen Wünsche zu erfüllen.
Interessant ist auch das Beispiel von Paulus in 2. Kor. 12, 8. Dort sagt er:
Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe.
(8)Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, daß er von mir weiche.
(9)Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig
Diese Situation ist schon sehr wichtig. Irgendetwas, eine Krankheit, eine Behinderung oder ein Mensch, stört Paulus so stark, dass er Gott eindringlich bittet, ihm dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Ja, die Störung ist sogar so stark, dass Paulus sich nicht mit einer ersten Ablehnung Gottes zufrieden gibt. Dreimal fleht er Gott an, ihm zu helfen. Und drei Mal antwortet Gott ganz einfach: „Lass Dir an meiner Gnade genügen“, was im wesentlichen bedeutet „Ich brauche Dir das Problem nicht zu beseitigen, Du kommst mit meiner Unterstützung auch so zurecht“. Hier gibt es keinen offensichtlichen Grund, die Bitte des Paulus abzuschlagen, Gott nennt auch keinen Grund. Er versichert Paulus nur seiner Unterstützung.
Das kennen wir auch. Wie oft haben wir Bitten, dringende und verständliche Bitten, um Gesundheit, um Arbeit, um Gemeindewachstum. Aber Gott folgt unseren Bitten nicht. Alles was er uns sagt, und wo wir uns auch sicher sein können, ist, dass er uns immer wieder hält, stützt und auffängt, wenn wir durch ein dunkles Tal schreiten.
Das dritte Beispiel ist Jesus selbst. Unmittelbar nach unserem Predigttext und dem hohenpriesterlichen Gebet für die Jünger geht Jesus nach Getsehmane. Und dort bittet er: „Wenn es möglich ist, dann lass diesen Kelch an mir vorüberziehen“. Eineklare Bitte von Jesus selbst, wie könnte der Vater eine solche Bitte unbeachtet lassen. Aber der Sohn weiss, worum es geht. In der Bitte selbst steckt schon die Anerkennung des Willens Gottes, die Einsicht, dass dieser Weg der einzig mögliche ist. So kann Jesus Gott folgen, weil er die Zusammenhänge kennt.
Und hierin ist er uns voraus. Wir übersehen die Zusammenhänge in der Regel nicht oder bemerken sie erst im Nachhinein. Wie oft kommt es vor, dass etwas anders kommt als wir es uns von Gott erbeten haben. Und im Rückblick bemerken wir, dass uns Gott mit diesem anderen Weg genau richtig geführt hat. Gott hat sich oft als weiser erwiesen als wir es sind.
Gott erfüllt Bitten
Ich habe mich jetzt auf Beispiele konzentriert, in denen Gott keine Bitten erfüllt, auch wenn sie im Namen Jesu gesprochen werden, einfach um ein Gefühl für die Aussage zu bekommen, die Jesus in unserem Predigttext macht.
Doch die Beispiele, in denen Bitten nicht erfüllt werden, sind in der Bibel selten und auch in unserem Leben bleibt die Aussage „Bittet, so wird euch gegeben“ lebendig. Auch in meinem Leben könnte ich für jedes Beispiel, in dem meine Bitten nicht erfüllt wurden, Beispiele nennen, in dem ich erhalten habe, worum ich gebeten habe. Und ich bin sicher, auch bei den hier Anwesenden gibt es viele Geschichten, in denen Gott Bitten auf die eine oder andere Weise erfüllt hat, genauso wie bei Janis Joplin, die sich von dem Erfolg des Liedes alles mögliche hat kaufen können.
Doch es geht darum, dass wir das Gleichgewicht behalten. Die Zuversicht und den Glauben, dass Gott auf unsere Bitten reagiert und wir nehmen können, auf der einen Seite und Anspruchsdenken und der Versuch, Gott auf die Probe zu stellen, auf der anderen Seite. Gott fordert uns auf, ihn zu bitten, er will, dass wir ihm das sagen, was wir auf dem Herzen haben. Er sichert uns zu, auf unsere Bitten zu hören, denn er liebt uns, er weiss, was wir brauchen, er kennt uns besser, als wir selbst.
Trotz oder sogar wegen dieser Zusage ist es Gnade, wenn Gott unsere Bitten erfüllt. Wir haben keinen Anspruch auf Erfüllung, weder rechtlich noch moralisch. Wir können und dürfen bei Gott nichts einklagen, aber wir dürfen uns beklagen. Der Ausspruch von Hiob „der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, gelobet sei der Herr“, kennzeichnet die Einstellung, die wohl am Besten zeigt, worauf es ankommt. Genauso wie Hiob dürfen und sollen wir uns bei Gott beklagen, zu ihm schreien und ihn drängen, wenn wir im Elend sitzen und auf die Hilfe des Herrn warten. Aber Gott wird uns helfen in einer Art, die er bestimmt und zu einem Zeitpunkt, den er bestimmt. Was und wie er uns dabei auch immer begegnet, Staunen und Dankbarkeit werden die Folge sein.
Amen