Predigt über Joh. 16, 5 - 15

Einleitung

Geht es Euch manchmal auch so, dass ihr das Gefühl habt, als würdet ihr mit einer Geschwindigkeit von 24h pro Tag auf eine Mauer zurasen? Mir ging es einmal so in einer der eindrücklichsten Zeiten meines Lebens. Zu dieser Zeit war ich mit Britta und Oliver, damals noch nicht einmal 2 Jahre alt, in Paris. Meine Stelle war zeitlich befristet und lief Ende Oktober diesen Jahres aus. Also war klar, dass ich eine Nachfolgestelle brauchte. Doch an wen ich mich auch wandte, wo ich mich auch bewarb, ich fand keine.

Längst hatte ich meine Hoffnung aufgegeben, meine wissenschaftliche Karriere fortsetzen zu können, aber auch meine Bewerbungen auf irgendeine andere Stelle ergab trotz Doktortitel und Auslandsaufenthalten nichts. Eine Absage nach der anderen trudelte ein und ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde, wenn der November erst einmal eintreten würde. Im Sommer diesen Jahres sagte ich dann zu Britta, dass ich jetzt keine Möglichkeit mehr sehen würde und sie sich jetzt auch bewerben müsse. Da fiel ihr eine Stellenanzeige ein, die sie mehrere Wochen vorher gesehen hatte und die ihr gut gefallen hatte. Also schickte sie dort eine Bewerbung hin, auch wenn wir nicht viele Hoffnungen hatten, da wir uns sagten, dass die Stelle inzwischen wohl vergeben wäre. Tatsächlich hörten wir erst einmal nichts mehr von dieser Bewerbung.

Im September hatte ich immer noch nichts und die Frage, wie ich unsere junge Familie denn ernähren würde können, brachte mir manche schlaflose Nacht ein. Da ging es dann plötzlich ganz schnell. Britta bekam ein Vorstellungsgespräch auf ihre erste Bewerbung hin und eine Woche später hielt sie ihren Arbeitsvertrag in den Händen, der uns in ein kleines Städtchen Namens Taunusstein führen sollte. Für mich bedeutete das einen radikalen Rollenwechsel. Britta würde das Familieneinkommen verdienen und ich würde mich um Haushalt, Windeln und Kochen drehen müssen. Aber endlich hatte sich eine Tür in jener Mauer geöffnet. Nach all den Sorgen und Nöten, legte sich ein tiefer Frieden auf mich und ich erkannte, dass dies genau der Weg war, den Gott für mich vorgesehen hatte. Diese Erkenntnis machte mich fähig alles zu akzeptieren, was an Änderungen auf mich zukam, ich war im wahrsten Sinne des Wortes getröstet.

Der Predigttext

Heute feiern wir das Pfingstfest und um den Tröster geht es auch im heutigen Predigttext. Er steht im Evangelium des Johannes, Kapitel 16, die Verse 5-15.

Jesus sagt: Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, daß ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.

Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: daß sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.

Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird's von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

Das Pfingstereignis

So hat es Jesus seinen Jüngern angekündigt und so ist es eingetroffen. Zu dem Zeitpunkt seiner Rede waren die Jünger voll Trauer, aber eigentlich haben sie ihm nicht geglaubt. Unser Meister, sterben? Niemals kann das geschehen. Und wenn er angegriffen wird, dann sterben wir mit. So waren die Gedanken der Jünger. Ja, sie waren traurig, aber ich habe das Gefühl, dass sie es eher über die unverständlichen Worte Jesu waren als über der Aussicht, dass er tatsächlich sterben solle.

Und dann wurde er verhaftet und gekreuzigt und aller Mut war weg. Petrus hat ihn verleugnet, alle sind geflohen, alle haben sie die Türen verschlossen und sich verkrochen. Was soll nur werden, wie soll es nur weitergehen? Und dann die Nachricht, er ist auferstanden! Aus Unglauben wurde Freude, staunen, aber die Türen blieben verschlossen, die Stimmung ernst. Im Lukas-Evangelium wird am Ende erzählt, wie sich einige Jünger am See aufhielten und Petrus plötzlich sagte „ich gehe fischen“. Eine merkwürdige Reaktion, sehr vielschichtig. Sie scheint zu sagen „Jesus ist auferstanden, aber doch nicht bei uns. Was sollen wir nur tun ohne ihn? Kommt lasst uns doch eintauchen in unser altes Leben und so tun als wären diese drei Jahre mit Jesus nicht gewesen“.

Doch Jesus holt diese Jünger, die da fischen gingen, an der Stelle ab, wo sie waren. Er wiederholt das Wunder, das er schon bei der Berufung von Petrus getan hatte. Nach einer Nacht des vergeblichen Fischens ruft er Petrus zu: „Wirf die Netze noch einmal aus, auf der rechten Seite des Bootes“ und Petrus folgt und fängt mehr Fische als die Netze eigentlich fassen können. Mit dieser Geschichte wird Petrus ein weiteres Mal berufen. Eine Rückkehr in sein altes Leben kommt für ihn nicht in Frage.

Danach bleibt den Jüngern nur noch warten. Jesus hat versprochen, dass etwas passieren würde, also schliessen sie sich wieder in ein Haus ein, beten, singen und warten. Bis dann Pfingsten kommt. Mit einem Mal ist ihnen klar, was zu tun ist. Nicht zu Hause sitzen und der Zeit mit Jesus nachtrauern. Nicht die Auferstehung als vorübergehendes Glücksgefühl behandeln, sondern hinausgehen, den Leuten erzählen, was passiert ist. Petrus ist wie üblich Voreiter und schwingt eine grandiose Rede, die viele Menschen überzeugt. Und ehe sie es sich versehen, sind die Jünger im Zentrum einer überaus dynamischen Wachtumszeit geworden.

Die Gabe des heiligen Geistes

Jesu Prophezeiung ist eingetroffen. Der heilige Geist, der Tröster ist erschienen. Er hat die Mauer zerstört und Türen geöffnet. Plötzlich war da eine Klarheit, eine Perspektive, die einfach nur umhaut. Es gibt gar keinen Zweifel mehr. Genau das hat Gott gewollt und wer bin ich, dass ich etwas anderes wollen würde als Gott. Die Jünger haben diese Erfahrung gemacht, genauso wie ich sie gemacht habe, und so eine Erfahrung wirkt ein Leben lang.

Seit dieser Zeit gilt, das Christen mit dem heiligen Geist erfüllt sind. Doch so klar diese Aussage ist, so schwierige Fragen kommen eins ums andere Mal hoch. Jenes Erlebnis von mir ist nun 13 Jahre her, aber was ist mit der Zeit dazwischen. Ich soll ja als Christ immer mit dem heiligen Geist erfüllt sein, aber warum merke ich so oft nichts davon. Kann ich auch von anderen Dingen erfüllt werden? Und wie erkenne ich das? Was sagt uns denn der heilige Geist?

Der Anfang

Ich will die Gelegenheit nutzen und diesen Fragen ein wenig nachspüren. Es ergibt sich natürlich als erstes die Frage, was denn die Bibel zu diesem Thema sagt. Dass es so etwas wie einen Geist Gottes gibt, sagen bereits die allerersten Worte der Bibel. In den ersten zwei Versen heisst es:

1. Mose 1.1

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser

Gott macht eine Inspektionstour, er macht ihn mit seinem Geist. Schon aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass der Geist Gottes so etwas ist, wie die Persönlichkeit Gottes, der Kundschafter Gottes, etwas das in unserem Universum das Handeln Gottes darstellt. Dennoch wird der Begriff nicht besonders klar. Die Bibel im alten Testament verwendet ihn einfach, ohne ihn zu erklären.

Die Erleuchteten

Auch im Folgenden verwendet das alte Testament den Begriff einfach und zwar in Zusammenhang mit Menschen, die besondere Gaben haben, besondere Einsichten, besondere Kräfte. So heisst es in 1. Mose 41, 37, wo Josef vor dem Pharao steht und ihm seine Träume auslegt:

Die Rede gefiel dem Pharao und allen seinen Großen gut. Und der Pharao sprach zu seinen Großen: Wie könnten wir einen Mann finden, in dem der Geist Gottes ist wie in diesem?

Oder in 2. Mose 31, 1-5 heisst es

Und der HERR redete mit Mose und sprach: Siehe, ich habe mit Namen berufen Bezalel, den Sohn Uris, des Sohnes Hurs, vom Stamm Juda, und habe ihn erfüllt mit dem Geist Gottes, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit aller Geschicklichkeit, kunstreich zu arbeiten in Gold, Silber, Kupfer, kunstreich Steine zu schneiden und einzusetzen und kunstreich zu schnitzen in Holz, um jede Arbeit zu vollbringen.

Diese Stelle ist deswegen interessant, weil sie deutlich macht, dass es einen Unterschied macht, ob man den Geist Gottes hat oder mit Gott redet. Denn Moses redet mit Gott, aber das drückt die Bibel hier nicht so aus, dass er vom Geist erfüllt eine Erkenntnis hätte, sondern dies wird als ganz normales Reden geschildert.

Aber von der Kunstfertigkeit Bezalels, der im wesentlichen ein begabter Handwerker ist, wird gesagt, dass er diese Begabung durch den Geist Gottes erhält. Darin wird deutlich, dass die Bibel einen Unterschied macht zwischen dem Geist Gottes und der Person Gott.

Ein anderes Beispiel ist Saul, der erste König Israels. Auch Saul war vom Geist Gottes erfüllt. In 1. Samuel 11,1 heisst es, als das Volk wegen der Überlegenheit der Ammoniter Angst hatte:

Da geriet der Geist Gottes über Saul, als er diese Worte hörte, und sein Zorn entbrannte sehr.

Durch seinen Zorn rüttelt er die Männer Israels auf und besiegt die eigentlich überlegenen Ammoniter. Am Beispiel Saul deutet die Bibel auch an, ob dieses Erfüllt sein mit dem Geist Gottes nur eine momentane Erscheinung ist oder nicht. In 1. Samuel 16, 14 heisst es:

Der Geist des HERRN aber wich von Saul, und ein böser Geist vom HERRN ängstigte ihn. Da sprachen die Großen Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott ängstigt dich. Unser Herr befehle nun seinen Knechten, die vor ihm stehen, daß sie einen Mann suchen, der auf der Harfe gut spielen kann, damit er mit seiner Hand darauf spiele, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, und es besser mit dir werde.

Diese Passage zeigt auf, dass das Erfüllt sein mit dem Geist etwas permanentes war, was aber Saul nicht daran gehindert hat, Dinge zu tun, die Gott missfielen. Als Folge davon weicht der Geist Gottes und wird ersetzt durch einen bösen Geist. Saul bekommt Angstzustände und Verfolgungswahn und wird letztlich durch David ersetzt.

Die Propheten

Das Thema zieht sich weiter durch das alte Testament. Immer wenn Menschen durch ihre Begabungen und Taten Gott besonders nahe waren, wird gesagt, dass sie mit dem Geist Gottes erfüllt sind. David gehört dazu, ebenso Salomo, dann die Propheten, insbesondere wenn sie in einen ekstatischen Zustand verfallen, den die Bibel Verzückung nennt. Nach Salomo wird eigentlich nur noch von Propheten und gelegentlich von Hohepriestern in dieser Weise berichtet. Fast scheint es so, als würde sich der Geist Gottes immer weiter zurückziehen.

Zumindest ist es das Verständnis der Menschen in der späteren Zeit des alten Testamentes, dass der Kontakt zu Gott nur noch besonders begabten und beauftragten Menschen vorbehalten ist. Diese haben die Hirtenaufgabe, eben das Volk anzuleiten und in den göttlichen Dingen zu unterweisen. Das führt dann zu zwei Fehlentwicklungen. Einmal bekommen Priester und Propheten eine Machtstellung, die sich auch trefflich missbrauchen lässt. Daher treten falsche Propheten auf, die nur für ihr Wohlergehen predigen und Priester, die sich mehr mit Politik beschäftigen als mit ihrer Beziehung zu Gott. Zum anderen entfernt sich das gemeine Volk immer mehr von Gott und läuft dann auch viel leichter anderen, handhabbaren Göttern hinterher und fremde Kulte haben die Möglichkeit, sich in Israel breitzumachen.

Beide Fehlentwicklungen werden von den echten Propheten immer wieder aufs schärfste kritisiert, immer wieder kommen Gerichtsdrohungen und Zeichenhandelungen, die auf ein Gericht hinweisen, aber ausrotten lässt sich dieses Phänomen offenbar nicht. Da liegt es nahe, dass es nur einen Ausweg geben kann. Gott darf den Menschen nicht mehr über Mittler gegenübertreten, er muss direkt zu den Menschen reden. Der Geist Gottes darf nicht mehr ein Privileg weniger sein, jeder – Mann oder Frau – sollte ihn haben, dann würden die Menschen Gottes Geist folgen und Gottes Gebote tun, freiwillig, nicht gezwungen. Das alles gipfelt in der Prophezeiung von Joel 3,1:

Und nach diesem wll ich meinen Geist ausgiessen über alles Fleisch und Eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben und Eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.

Und in Joel 3, 5 heisst es weiter

Und es soll geschehen: wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden.

Die Erfüllung

Jesus bezieht sich in unserem Predigttext auf diese Prophezeiung. Jesus sagt: Das wird geschehen, wenn ich gegangen bin, ja ich muss gehen, damit eben das eintritt. In Jesus tritt Gott den Menschen in verständlicher und verstehbarer Form gegenüber und damit ist der Weg bereitet, auch eine direkte Kommunikation zwischen Gott und den Menschen zu beginnen. Der Priesterschaft aller Gläubigen, wie sie Luther verkündete, ist hier der Boden bereitet. Mit dem Pfingstereignis, mit dieser gewaltigen Aufforderung, nicht mehr daheim in den Häusern zu sitzen und auf das Heil zu warten, sondern hinauszugehen und dem Menschen das Heil zu verkünden, beginnt die direkte Beziehung zwischen Gott und Mensch.

Die Gegenwart

So revolutionär diese Idee Gottes war, so hochfliegend die Hoffnungen, dass es sich jetzt endlich alles zum Besseren wendet zwischen Gott und Mensch, nach diesen so vielversprechenden ersten Anfängen in der Urgemeinde, 2000 Jahre Geschichte der Christenheit und wohnhaft in einem Land, das immer mehr entchristianisiert wird, habe ich das Gefühl, dass nicht sehr viel besser geworden ist. Die Menschen laufen immer noch allen möglichen Kulten nach, Egoismus und Selbstverherrlichung regieren immer noch die Welt und Gottes Gebote werden nicht mehr gehalten oder weniger gebrochen als in der Zeit vor Jesus.

Doch das war eigentlich zu erwarten gewesen. Die Aussendung des Geistes hat Veränderungen gebracht, hat Dinge geändert, aber sie war noch lange nicht der Schlusspunkt, noch lange nicht das Errichten des Reiches Gottes, sie war nur ein weiterer Meilenstein im Heilsplan Gottes. Daher wäre es fehlgedacht, von dieser Tat Gottes schon die Beendigung allen Unheils zu erwarten. Wir leben in einer gefallenen Welt und müssen unter den Folgen leiden, daran ändert auch die Aussendung des Geistes nichts. Nein, ich denke, dieses Ereignis hatte ganz andere Hintergründe.

In der Zeit vor Jesu war der Kontakt zu Gott wenigen Privilegierten vorbehalten. Als Teil des Volkes war man auf die Vermittlung durch diese angewiesen. Nicht nur, dass die Privilegierten ihre Stellung missbrauchten und ihrer Pflicht nicht nachkamen, als normaler Mensch konnte man sich immer herausreden und Fehlverhalten auf die Fehler anderer abschieben, so wie es Adam tat als er wegen des Sündenfalls von Gott zur Rede gestellt wurde. Mit der Aussendung des Geistes sind wir alle Privilegierte. Und dieses Privileg ist nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten verbunden. Wir haben das Recht, uns an allen Menschen vorbei, direkt mit Gott in Verbindung zu setzen, wir haben das Recht, direkt auf seine Stimme zu hören, direkt seine Gegenwart zu spüren. Aber wir haben auch die Pflicht, auf Gott zu hören, zu gehorchen. Ob wir ihm folgen oder nicht, ist jetzt unsere Verantwortung, unsere Entscheidung.

Geist und Fleisch

Dass trotz der Aussendung des Geistes für alle Gläubige immer noch ein Gegensatz, ein Problem da ist, macht schon Jesus deutlich. In Johannes 3, Vers 4 sagt er

Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist.

Jesus betont hier, dass die Gabe des Geistes kein Automatismus zur Folge hat. Er ist kein Instrument, mit dem man die Sünde, die Gottverlassenheit niederknüppeln kann. Vielmehr stehen hier zwei Wurzeln zur Auswahl, einmal symbolisiert mit dem Begriff „Fleisch“ und zum Anderen mit dem Begriff „Geist“. Fleisch bedeutet hier alles, was vergänglich ist, was dem Tod unterworfen ist, was von Gott trennt. Paulus greift diese Worte Jesu auf und führt sie weiter aus. In Römer 8, 8-11 heisst es

Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen.

Das neue Testament und insbesondere Paulus betont also diese Erfüllung der Prophezeiung aus Joel. Jeder Gläubige, der sich Jesus übergeben hat, ist von Gottes Geist erfüllt. Aber die ständigen und vielfältigen Ermahnungen in den Briefen zeigen, dass schon die Christen in der Urgemeinde Schwierigkeiten hatten, dem Anspruch der darauf folgt, gerecht zu werden. Immer wieder verfielen sie in Streit, in Sünde, in Verhaltensweisen, die wir aus unserer eigenen Geschichte und unserer eigenen Zeit nur zu gut kennen. Und das wollen geisterfüllte Christen sein?

Genauso ist es, geisterfüllt oder nicht, wir sind wie alle anderen Menschen fähig in die Irre zu laufen, zu sündigen, Fehler zu machen. Der Geist in uns macht sich nicht immer bemerkbar, aber er ist da und er wartet darauf, Gehör zu bekommen. So ist Gottes Art. Er lässt uns freie Wahl, wir sind die Handelnden, aber wenn wir ihn brauchen, ist er da und wir können mit ihm reden, direkt, ohne Vermittler. Ein hohes Privileg.

Andere Geister

Natürlich drängen sich auch sofort weitere Fragen auf. Wir, die wir von Gottes Geist erfüllt sind, können wir auch von anderen Dingen erfüllt sein? Ja, das ist möglich. In 1. Joh. 4, 1-3 heisst es

Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: Ein jeder Geist, der bekennt, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, der ist von Gott; und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott.

Mit dieser Stelle wird klar, dass wir auch jetzt noch von anderen Geistern beeinflusst werden können als von Gottes Geist, denn sonst machte diese Aufforderung, die Geister zu prüfen, keinen Sinn. Es liegt immer noch in unserer Entscheidung, wie wir zu den vielfältigen Meinungen, Ansichten und Geschehnissen stehen. Es gibt viele Probleme unserer Welt, die die Bibel nicht direkt anspricht, nicht direkt ansprechen kann, weil es das Problem damals schlicht noch nicht gegeben hat. Hier fordert uns die Bibel auf, mit dem Geist Gottes die Hintergründe zu erforschen und uns danach eine Meinung selbst zu bilden. Dass das nicht unbedingt einfach ist, ist klar. Aber oft denken wir, bewusst oder unbewusst, wenn ich und mein Bruder oder meine Schwester Gottes Geist nach einer Antwort befragen und Gottes Geist gibt uns Antwort, dann kann es ja nur eine und nur eine Antwort sein, oder?

Die Folgen des Geistes

Wenn ich nach Stellen suche, die mir verraten, woran ich denn ein Wort Gottes erkenne, das der Geist mir eingibt, so erhalte ich allgemeine Hinweise darauf, welche Inhalte diese Worte wohl haben werden. Aus verschiedenen Bibelstellen wissen wir, dass die Früchte des Geistes sind:

All dies sind wertvolle Hinweise darauf zu erkennen, dass wir mit einer Meinung, mit einem Standpunkt, mit einer Ansicht tatsächlich auf der Linie Gottes sind. Und oft können wir damit erkennen, wo wir fehlhandeln und wo wir uns von anderen Geistern in die Irre führen lassen. Die Bibel bestärkt uns auch darin, dass andere Geister andere Ziele haben und so erkannt werden können.

Die Grauzone

So wichtig und so hilfreich diese Erkenntnis ist, sie ist nicht vollständig. Wenn wir uns an die Richtlinien halten, die ich schon erwähnt habe, so können wir damit sehr weit kommen im Aufbau unseres Lebens und im Aufbau unserer Gemeinde. Aber es bleibt ein Rest, der nicht klar ist, es bleibt ein Rest, wo diese Richtlinien nicht ausreichen und wo wir nicht nach Schema F schliessen können, das und das ist der Wille Gottes.

Ein Streitpunkt in unserer Gemeinde

Als Beispiel möchte ich an unsere kürzlich durchgeführte Diskussion erinnern, ob wir als Gemeinde eine Pastorin berufen wollen oder nicht. Der Diskussion hat man angemerkt, dass alle Beteiligte sich an den Grundsätzen der Liebe zueinander orientiert haben, dass alle Beteiligte sich an der Bibel orientiert haben, dass alle Beteiligte darum gerungen haben zu erkennen, was Gott in dieser Frage will. Hätten wir alle, geisterfüllt wie wir sind, nicht zu demselben Ergebnis kommen müssen? Wir sind nicht zu demselben Ergebnis gekommen, ziemlich genau die Hälfte erreichte die Antwort Ja und die andere Hälfte die Antwort nein.

Heisst das nun, dass eine Hälfte von uns den Geist Gottes unterdrückt, sich von anderen Geistern beherrschen lässt wie dem Zeitgeist oder dem Geist der Tradition? Und wenn dem so ist, welche Hälfte ist es denn? Ich habe mit dieser Frage nicht erst seit unserer Diskussion gerungen, auch schon in anderen Zusammenhängen ist sie mir immer wieder untergekommen.

Wenn ich die Frage auf diese Weise stelle, dann komme ich immer wieder nur zu einer möglichen logischen Antwort, ich bin es, der den Geist Gottes hat und die anderen haben ihn nicht. Denn bei mir weiss ich, wie ich mich Gott gestellt habe, wie eindringlich ich ihn um eine Antwort gebeten habe, wie offen ich allem bin, was Gott mir eingibt. Bei mir weiss ich, dass ich alles Menschenmögliche getan habe, um genau Gottes Antwort zu erhalten. Und ich habe eine Antwort erhalten, also müssen es die anderen sein, die anderer Meinung sind als ich, die Gottes Geist nicht gehorchen.

Aber wenn ich an die Prinzipien denke, die die Bibel über Gottes Antwort nennt, dann ist genau dieser so unglaublich zwangsläufige Schluß eben absolut fern von Gott. Die Ich-Bezogenheit dieser Überlegung macht es fast zwangsläufig, dass sie eben nicht vom Geist Gottes stammt.

Nein, so geht das nicht. Es ist schon falsch, die Frage überhaupt so zu stellen. Denn schon die Frage, wer denn die richtige Antwort habe, säht Misstrauen, schon die Frage steckt meinen Mitbruder oder meine Mitschwester in Schubladen, schon die Frage macht den Egoismus zur Leitlinie. Wenn aber die Frage falsch ist, was ist dann die richtige Frage? Ganz einfach, die Frage lautet: „Warum will Gott, dass wir verschiedene Meinungen haben?“

Denn Gott geht es nicht um eine Meinung, nicht um einen Standpunkt. Gott geht es um Beziehungen, ihm geht es um uns und unsere Gemeinde. Und wenn wir mit einer Frage kämpfen, dann kann es sein, dass die eigentliche Antwort für ihn gar nicht bedeutend ist. Ihm ist es egal, ob wir am Ende sagen „es ist A“ oder „es ist B“. Wichtig ist ihm, wie wir uns verhalten, wie wir mit Gegensätzen umgehen, wie wir Liebe leben.

Und deshalb verstehe ich den Ausgang unserer Diskussion um die Pastorin auch nicht als Problem, sondern als Chance. Durch unseren Gegensatz bekommen wir die Gelegenheit zu zeigen, was es heisst, als christiche Gemeinde miteinander zu leben. Wir bekommen die Gelegenheit, nicht in der Harmonie, in der Eintracht, nicht da wo alles gut ist, sondern in den unterschiedlichen Standpunkten, in den gegensätzlichen Strömungen, da wo alles menschlich ist,. Wir haben die Chance, zu zeigen dass wir tatsächlich von Gottes Geist erfüllt sind.

Amen