Predigt über Markus 1, 40-45

Einleitung

In der letzten Woche ging ein christliches Großereignis zu Ende. Der katholische Weltjugendtag hatte sehr viel Aufmerksamkeit in der Presse, der Papst ist gekommen und der Wirbel um dieses Ereignis hat sich durch die Tatsache, dass Benedikt XVI. der erste deutsche Papst seit 500 Jahren ist, noch verstärkt.

Wie ist ein solches Ereignis nun zu bewerten, war es etwas gutes, positives für die Christenheit oder eher negativ? Wird mit den Nachrichten, die durch so eine Veranstaltung in alle Welt gingen, eine Botschaft transportiert und wenn ja, welche? Eingeladen hatte noch der alte Papst, der neue hatte sich als Kardinal ja eher kritisch geäußert. Doch jetzt als Papst schien er sich mit der Veranstaltung arrangiert zu haben.

In der Öffentlichkeit zu stehen, von den Medien betrachtet zu werden, von den Nachrichtensprechern Kommentare zu bekommen hat für eine christliche Kirche oder gar eine christliche Gemeinde etwas zwiespältiges, das ist durch den Weltjugendtag wieder einmal klar geworden.

Auch Jesus war jemand, der in diesem Zwiespalt zwischen öffentlicher Aufmerksamkeit und privatem Wirken gefangen war. Jesus war so etwas wie der erste christliche Medienstar. Unser heutiger Predigttext handelt von genau dieser Problematik. Er steht im ersten Kapitel des Markusevangeliums in den Versen 40 bis 45:

Der Predigttext

Und es kam zu ihm ein Aussätziger, der bat ihn, kniete nieder und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich reinigen.

(41)Und es jammerte ihn, und er streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will's tun; sei rein! (42)Und sogleich wich der Aussatz von ihm, und er wurde rein.

(43)Und Jesus drohte ihm und trieb ihn alsbald von sich (44)und sprach zu ihm: Sieh zu, dass du niemandem etwas sagst; sondern geh hin und zeige dich dem Priester und opfere für deine Reinigung, was Mose geboten hat, ihnen zum Zeugnis.

(45)Er aber ging fort und fing an, viel davon zu reden und die Geschichte bekannt zu machen, so dass Jesus hinfort nicht mehr öffentlich in eine Stadt gehen konnte; sondern er war draußen an einsamen Orten; doch sie kamen zu ihm von allen Enden.

Der Textzusammenhang

Markus ist das kürzeste und vermutlich auch älteste Evangelium der vier in der Bibel enthaltenen Evangelien. Es zeichnet sich durch einen sehr abgehackten, fast telegrammartigen Stil aus, mit dem Markus die meisten Taten und Ereignisse rund um das Leben von Jesus Christus berichtet. Im Zentrum steht dabei Jesus der Heilsbringer, der Sohn Gottes, der Erlöser.

In diesem Stil beginnt Markus auch gerade das erste Kapitel. Die Taufe Jesu, die Versuchung Jesu, die Berufung der ersten Jünger und der Beginn seines Wirkens in Kafarnaum, all das, wozu die anderen Evangelien bis zu vier Kapitel benötigen, das passt bei Markus in die ersten 40 Verse des ersten Kapitels. Den Abschluß dieses Kapitels bildet unser Predigttext.

Ein vom Aussatz befallener Mann kommt zu Jesus und bittet ihn um Hilfe. Er drückt seinen Glauben darin, dass Jesus ihn heilen kann, klar aus. Und Jesus hilft, aus Mitleid, wie Markus betont. Der Mann wird rein und wird von Jesus zu der Durchführung der in Israel notwendigen Prozedur aufgefordert, also dem Vorsprechen bei den Priestern und dem Abhalten der Dankopfer.

Ob der Mann Jesu Aufforderung nachkommt wird nicht berichtet, aber in einem beachtet der Mann Jesu Anweisung nicht. Entgegen der Aufforderung Jesu, nicht über seine Heilung zu reden, geht der Mann hinaus und redet bei jeder Gelegenheit davon. Als Konsequenz – so Markus – ist es Jesus im Folgenden nicht mehr möglich, offen in die Städte zu gehen, sondern er muss sich an einsame Orte zurückziehen, wo ihn aber die Menschen trotzdem aufsuchen.

Vergleich mit den anderen Evangelien

In dieser letzten Passage ist der Bericht von Markus etwas Besonderes. Die Heilung des Aussätzigen kommt auch bei Matthäus und bei Lukas vor, aber dort stehen sie in jeweils anderen Zusammenhängen und bringen am Schluss jeweils eine andere Nuance. Bei Matthäus steht die Heilung des Aussätzigen im Anschluss an die Bergpredigt und leitet dort eine Passage ein, in der Matthäus allgemein über die Heilungstaten von Jesus berichtet. Bei Matthäus fehlt der Nachsatz über die Konsequenz dieser Heilung völlig.

Bei Lukas steht diese Heilung vor den Lehrsätzen, die der Bergpredigt in Matthäus entsprechen, aber bei Lukas hat der Nachsatz eine andere Bedeutung. Hier heißt es “Darauf zog sich Jesus in die Einsamkeit zurück”. Bei Lukas klingt das also eher so, als hätte sich Jesus aus eigenem Entschluss und um in Ruhe bei seinem Vater zu sein, in die Einsamkeit zurückgezogen, während es bei Markus eher so klingt, als wäre Jesus dieses aufgezwungen worden, weil er in den Dörfern zu viel Aufmerksamkeit erregte.

Die Heilung

Gemeinsam ist aber allen drei Evangelien der Ablauf der Heilung. Es ist der Mann, der sich an Jesus wendet und seinen Glauben ausdrückt, dass Jesus ihn heilen kann. Das ist durchaus etwas Besonderes, denn als Aussätziger ist ihm das eigentlich verboten. Nach den Gebräuchen der damaligen Zeit war ein Aussätziger ein Ausgestossener, jemand, der unter der Androhung der Steinigung von sich aus anderen Menschen aus dem Weg gehen musste und rufen musste “unrein, unrein”, wenn ihm doch einmal jemand zu nahe kam.

Aber dieser Mann hatte nur noch eine Hoffnung und das war Jesus. Er musste das Risiko eingehen, gesteinigt zu werden für die einzige Möglichkeit, die ihm geblieben war. Ihm war wohl auch klar, dass das keine Selbstverständlichkeit war, er war allein auf die Gnade Gottes angewiesen. Und daher wendet er sich in sehr demütiger Haltung an Jesus.

Auch die Art, in der Jesus die Heilung durchführt, ist ungewöhnlich. Er berührt den Aussätzigen, manche Kommentatoren meinen sogar, er hätte ihn umarmt. Auch das ist im Bezug der damaligen Zeit ein Unding. Ein frommer Jude, zumal einer, der den Status eines Rabbi hat, berührt einen Unreinen. Aber Jesus hat ja auch bei anderen Gelegenheiten bewiesen, dass er keine Berührungsängste hat vor den Ausgestossenen, den Randgruppen der Gesellschaft, vor denen, die abseits der guten Plätze leben. Er hat sogar betont, dass er gerade für diese Menschen gekommen ist, da ist und hat sich damit jede Menge Ärger mit den Pharisäern und Schriftgelehrten eingehandelt.

Im Anschluss erweist sich Jesus aber wieder als der echte Jude. Markus bemerkt, dass er den Mann alsbald von sich trieb, ein Hinweis, dass dieser nach seiner Heilung bei Jesus bleiben wollte. Aber Jesus besteht auf der Einhaltung der jüdischen Rituale, also darauf, dass der Mann hingeht, sich den Priestern zeigt, diese ihn dann für rein erklären können und er im Tempel die vorgeschriebenen Opfer für seine Heilung darbringt.

So weit sind sich alle drei Evangelien in der Geschichte einig und so weit können wir auch lernen, wie Jesus mit den Ausgestossenen und Unreinen umgegangen ist, nämlich liebend, annehmend und helfend. Für uns hat diese Tatsache zwei Bedeutungen.

Einmal die Zusage, dass diese Zuwendung Jesu auch für mich gilt, wenn ich einmal krank bin, am Boden zerstört bin, an der Gesellschaft scheitere. Egal was passiert, Jesus steht an meiner Seite, und wenn ich mich noch so verlassen vorkomme, Jesus ist da, hilft mir durch das Tal hindurch und bildet das Licht, an dem ich mich ausrichten kann. Mit dieser Gewissheit kann ich leben und auch tiefe Krisen meistern.

Zum zweiten ist diese Stelle aber auch ein Auftrag, ein Auftrag an uns als Gemeinde. Wir als der Leib Christi sollen uns das Leben Jesu als Vorbild nehmen und ihm in allem nacheifern. Es ist ein Grundauftrag für jede Gemeinde, sich um die zu kümmern, die am Rand der Gesellschaft stehen, die krank sind, die Probleme haben und das begründet die Aufgabe der Diakonie, die auch in unserer Gemeinde eine Rolle spielt. Das Motto heißt, die Liebe leben, Beziehungen pflegen, gerade auch für die, die alleine nicht so gut zurechtkommen. Und hier stehen wir immer wieder im Zwiespalt, weil wir als Menschen nur eine endlich Kraft und Ausdauer und auch nur beschränkte Fähigkeiten haben. Als Einzelne müssen wir da scheitern, aber als Gemeinde, als Gemeinschaft können wir diese Anforderung Jesu erfüllen.

Ein Wendepunkt

Aber neben diesem Aspekt der Heilung, der in unserem Predigttext erzählt wird, interessiert mich auch dieser besondere Satz, den Markus am Ende dazusetzt und bei dem die anderen Evangelien andere Dinge in den Vordergrund schieben.

Unmittelbar vor unserem Predigttext, in Vers 39, berichtet Markus noch summarisch, dass sehr viele Kranke und Besessene zu Jesus gebracht werden und er sie heilt. Dennoch wird der aussätzige Mann hier von Markus speziell herausgegriffen und warum er das macht, das steht eben in Vers 45. Der Mann fing an, viel von seiner Heilung zu reden und hinfort konnte Jesus nicht mehr öffentlich in eine Stadt gehen, sondern musste sich in einsame Gegenden zurückziehen. Die Heilung des Aussätzigen stellt also so etwas wie einen Wendepunkt in Jesu Wirken dar, der Übergang zu einer zweiten Phase. Darum stellt Markus diese Heilung hier so besonders heraus.

Damit ergibt sich die Frage, worin diese zweite Phase nun genau bestanden hat. Jesus beginnt sein Wirken in Kafarnaum, einem Ort, wo er mit seiner Mutter, seinen Geschwistern und seinen Jüngern erst seit kurzer Zeit lebte, wo die Menschen ihn unbelastet von dem Wissen um seine Jugend und seinen Vater annehmen konnten. Es wird ja berichtet, dass Jesus in seiner Heimatstadt Nazareth nur sehr wenige Wunder tun konnte, weil die Leute dort ihn nicht als den Gesandten Gottes annehmen konnten.

In Kafarnaum beginnt er zu predigen und dort tut er die ersten Wunder, fängt an, auf die Menschen zuzugehen und sie zu heilen. So wird sein Ruf begründet und die Menschen fangen an, auf ihn aufmerksam zu werden. Aber zunächst ist er nur ein lokales Phänomen, jemand der in Kafarnaum bekannt ist und in den Dörfern darum herum, eben so etwas wie ein Lokalmatador.

Konsequenzen der Bekanntheit

Doch mit der Heilung des Aussätzigen fängt das an sich zu ändern. Jesu Ruf wird so verbreitet, dass er überall dort, wo er hinkommt, einen riesigen Menschenauflauf erzeugt. Markus erzählt im Anschluss die Geschichte, in der Jesus in einem Haus predigt und die Menschenmasse so groß ist, dass nicht nur das Haus von ihnen überquillt, sondern auch der Zugang so verstopft ist, dass die Menschen, die zu Jesus hinwollen, gar keine Chance mehr haben, ihm zu begegnen. In dieser Geschichte gelingt es den Freunden eines Gelähmten nur dadurch zu Jesus durchzudringen, dass sie auf das Dach des Hauses steigen und richtig handgreiflich werden, indem sie das Dach abdecken.

Diese zunehmende Bekanntheit hat zwei Konsequenzen, von denen ich mir denken kann, dass sie Jesus nicht wollte. Einmal war es Jesus nicht mehr möglich, alleine zu sein. In der Einsamkeit hat er die Verbindung zu seinem Vater erlangt und war sich über seine Bestimmung klar geworden. In der Einsamkeit war er in Versuchung geführt worden und war ihr nicht erlegen. Und das einsame Gespräch mit seinem Vater hat ihm immer wieder neue Kraft gegeben, ihn in seinem Ziel und seinem Handeln bestärkt und ihn dadurch auf dem Weg gehalten, der für ihn vorgesehen war.

Wie sehr Jesus dieses einsame Gebet suchte wird deutlich, wenn man in den Evangelien liest, wie oft davon berichtet wird, dass er sich zurückzieht, ja geradezu flieht an die einsamen Orte und zuletzt sogar auf den See Genezareth. Jesus war es zunehmend unmöglich, diese Einsamkeit in den Dörfern und Städten zu finden, weil die Menschen ihn immer stärker belagerten und bedrängten.

Eine zweite Konsequenz dieser Bekanntheit war, dass die am Rande lebenden Menschen immer mehr Probleme hatten, zu Jesus durchzudringen. Während sich die Honoratioren, die Schriftgelehrten, Pharisäer, Politiker und bedeutenden Kaufleute zu Beginn wenig um den Zimmermann Jesus kümmerten, wurde er mit der Bekanntheit zu einem Politikum. Wo er auftauchte, liefen nicht nur die Menschen zusammen, die wichtigen Männer des Dorfes durften sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich mit Jesus sehen zu lassen. Und weil sie ja die wichtigen Menschen waren, mussten die unwichtigen hinten anstehen. Zwangsläufig kam Jesus damit nicht mehr mit den Randgruppen in Berührung, also gerade mit den Menschen, die seine Zuwendung am notwendigsten brauchten.

Das alles war vermutlich nicht ausschliesslich die Konsequenz der Schwatzhaftigkeit des Aussätzigen, aber ich denke, seine Heilung hat das sowieso schon volle Fass zum Überlaufen gebracht. Die Situation wurde für Jesus so unerträglich, dass er etwas ändern musste. Eben die zweite Phase seiner Verkündigung begann. Jesus begann die bewohnten Städte der Gegend Kafarnaum zu meiden, er zieht sich in einsame Gegenden zurück und beginnt das Dasein eines Wanderpredigers. Auf diese Weise gelangt er nicht nur zu mehr Menschen als vorher, er kann auch immer in solche Gegenden ausweichen, in denen seine Bekanntheit noch nicht so groß ist oder wo sich die Aufregung schon wieder gelegt hat. Auf diese Weise gelangt er sogar in die nicht-israelischen Gebiete von Samarien und der Dekapolis.

Die Menschen suchen Jesus

Doch Markus betont in dem letzten Satz unseres Predigttextes, dass die Menschen Jesus auch in den einsamen Gegenden suchen. Ich denke, dass auch das ein Ziel von Jesus war. In den Menschenaufläufen der Städte können diejenigen, die ihn suchen, ihren Glauben nicht wirklich zeigen. Jesus hat die Menschen immer nach ihrem Willen gefragt und nach ihrem Glauben gehandelt. Jemand, der nur auf Sensationen und auf Aufmerksamkeit aus ist, wird auch leicht einmal mitmachen, wenn so ein berühmter Wundertätiger in der Stadt ist. Aber sich auf den Weg machen, Jesus suchen, insbesondere wenn das bedeutet, in verlassene und trostlose Gegenden zu gehen, das zeigt, dass man es ernst meint mit der Sehnsucht nach Erlösung, mit dem Streben nach Heil.

Und so wird auch dieser kleine Nebensatz unseres Predigttextes zu einem schönen Analogon. Wenn es uns ernst ist mit der Suche nach dem wahren Gott, wenn es für uns wirklich ein Problem ist, dass wir nicht so sind, wie wir sein sollten und wir wirklich die Sehnsucht nach Erlösung haben, dann werden wir uns auch gerne zu den unwirtlichen Orten des Herzens aufmachen, dann werden auch wir trostlose Täler durchschreiten, denn genau dort ist Jesus präsent, genau dort wird er bereit sein, uns wieder Kraft zu geben und uns aus der Wüste zurückführen in das Land, in dem wir reichlich bekommen.

Jesus will die Bekanntheit nicht

Doch eines ist etwas merkwürdig an unserem Predigttext. Jesus bedroht den Aussätzigen, seine Heilung nicht in Gegend herauszuposaunen, aber er tut es trotzdem mit den von mir gerade ausgeführten Konsequenzen. Warum versucht Jesus den Mann von seiner Begeisterung abzuhalten. Ist es nicht gut, dass wir die Taten Jesu erzählen und alle Menschen davon wissen lassen?

Vielleicht hat das eher etwas damit zu tun, was der Mann erzählt hat. Markus berichtet nur, dass er „die Geschichte bekannt gemacht hat“, aber nicht., was er genau erzählte. Bei anderen Wunderheilungen ist davon berichtet, dass die Geheilten „Gott lobten und priesen“. In diesen Fällen wird in den Evangelien also berichtet, dass die Geheilten Gott die Ehre gaben.

Vielleicht war das bei diesem Mann nicht der Fall. Vielleicht betonte der ehemals Aussätzige, dass Jesus der Heiler war und erkannte nicht die Macht und Kraft Gottes dahinter. Und damit bestand die Gefahr, Jesus allein als Wunderheiler, als Wunscherfüller zu sehen. Das möchte Jesus aber nicht, genauso wie bei dem Bericht der Speisung der 5000 im Johannes-Evangelium, wo berichtet wird, dass die Menschen ihn zum König machen wollten, Jesus dies aber dadurch verhinderte, dass er auf den See Genezareth flüchtete.

Es geht Jesus nicht um die Wunder, die er tut, es geht ihm nicht um Popularität, es geht ihm nicht darum, der Anführer einer Masse zu sein. Er will die Verbindung mit Gott klarmachen, er will jedem Menschen einzeln und persönlich begegnen und durch diese Begegnung umgestalten in eine Beziehung mit Gott hinein. Glaube ist etwas Individuelles, Einzelnes, etwas wo jeder persönlich und unabhängig von allen anderen seine Antwort, seine Stellung finden muss.

Die Wirkung von Großereignissen

Und damit gelange ich zurück zu dem Thema, das ich am Anfang angeschnitten hatte. Der katholisches Weltjugendtag ist zu Ende gegangen, ein christliches Großereignis, das in den Medien einen breiten Raum eingenommen hat, zumal es eben der erste deutsche Papst seit 500 Jahren war, der hier seine erste Auslandsreise unternommen hat. Wie ist ein solches Massenereignis nun zu bewerten?

Auf der einen Seite positiv. Denn durch diesen Anlass sind viele Jugendliche und nicht-mehr-so-ganz Jugendliche in ein beeindruckendes Erlebnis hineingeraten, in denen sie wirklich die Chance hatten, Gott zu begegnen. Obendrein hat der Papst deutliche Worte für den Glauben gefunden, deutlichere und positivere Worte als man es von katholischen Ereignissen gewohnt ist. In diesen Worten des Papstes stand tatsächlich die Beziehung zu Gott und der Glaube im Vordergrund und nicht so sehr all die Regeln, Gebote und Verbote, auf die die katholische Kirche im allgemeinen und Kardinal Ratzinger im Besonderen oft so viel Wert legen.

Auch wenn in den Nachrichten diese Botschaft verkürzt weitergegeben wird, so wird sie dennoch weitergegeben. Und wo gibt es das schon, dass von Gott in der besten deutschen Nachrichtenzeit geredet wird. Das ist positiv und das sollte uns als Christen freuen.

Doch auf der anderen Seite ist und bleibt es ein anonymes Großereignis. Kann sich jemand vorstellen, dass einer, der mit Glaube und Gott so gar nichts am Hut hat, die Abendnachrichten schaut und anschließend auf die Knie fällt und sich zu Jesus bekennt? Gottes Wege sind unerforschlich, aber irgendwie habe ich Schwierigkeiten, mir eine solche Situation als real vorzustellen.

Dagegen ist es sehr wohl vorstellbar, dass jemand, der dem Glauben und Gott gegenüber ablehnend eingestellt ist, die Abendnachrichten anschaut, neugierig wird und sich daher entschließt, sich eine Gemeinde einmal von innen anzuschauen. Er macht sich auf den Weg, begegnet dann Menschen, die ihn beeindrucken und schließlich bekennt er sich zu Jesus und wird Christ. Das ist ein sehr gut vorstellbares und vermutlich schon passiertes Szenario.

Das Handeln in der Gemeinde

Das zeigt, welchen Stellenwert ein solches Großereignis hat. Es kann neugierig machen, es kann den Glauben als etwas positives darstellen, es kann Vorurteile abbauen und Schranken und Hemmungen niederreissen. Aber der Schritt zum Glauben geschieht individuell, persönlich, im Gespräch mit Einzelnen, in der Einsamkeit alleine mit Gott.

Das war schon bei Jesus so und das ist auch heute noch so. Und das ist ein wichtiger Punkt für eine Gemeinde, wenn es darum geht, das Gemeindeleben zu planen. Auch wir stehen immer in der Frage, welche öffentlichen Ereignisse wir veranstalten und auf die Beine stellen sollen und können.

Irgendwie haben sich die Zeiten geändert. Viele von uns können sich noch daran erinnern, dass es selbstverständlich war, dass eine Gemeinde alljährlich eine Missionsveranstaltung hatte. Ob Zeltmission, ob Vortragsabend, ob eine Reihe von Freiluftveranstaltungen, früher war offensichtlich irgendwie mehr los. Das waren keine Massenveranstaltungen wie der Weltjugendtag, es war alles irgendwie kleiner, provinzieller, aber wir waren es so gewohnt, es gehörte zum normalen Gemeindeleben. Ich habe auch das Gefühl, dass viele unter uns es vermissen, es irgendwie nicht gut finden, dass es solche Veranstaltungen immer weniger gibt.

Ich denke, die Einstellung und damit die Bedürfnisse der Menschen haben sich geändert. Früher war es ein dörfliches Großereignis, wenn die jungen Burschen den Kerbebaum durch den Dorfplatz trugen, heute ist es höchstens eine traditionelle Veranstaltung unter vielen. Früher bekam man die Nachrichten aus aller Welt, wenn man einmal in der Woche ins Kino ging und die Wochenschau anschaute, heute bekommen wir sie stündlich aufs Handy geliefert. Die Menschen heute sind medial gewöhnt, um nicht zu sagen, medial verwöhnt. Sie wissen, wie eine perfekte Show aussieht, Musik, Fete, visuelle Erlebnisse gehören heutzutage dazu.

In dieser Konkurenz der Veranstaltungen müssen provinzielle Missionsveranstaltungen zwangsläufig untergehen. Das, was noch zieht sind Großveranstaltungen wie der Weltjugendtag. Aber das kann keine Gemeinde, noch nicht einmal ein Gemeindebezirk mehr selbst heben. Solche Veranstaltungen erfordern einen ungeheuren Aufwand und insbesondere eine professionelle Vorbereitung, so etwas lässt sich nicht mehr nebenbei von Amateuren bewerkstelligen.

Wenn wir als Gemeinde versuchen, mit den Methoden von vor 30 Jahren weiterzumachen, dann werden wir die Menschen nicht mehr erreichen. Anstatt aufmerksam zu machen, werden wir Desinteresse erben, anstatt einen guten Eindruck zu schinden, werden wir kaum mehr als einen kurzen Seitenblick ernten. Natürlich kann es durchaus noch Sinn machen, einen Vortragsabend zu veranstalten oder ein Konzert abzuhalten, aber die Anstrengungen und Mühen der Vorbereitung werden größer sein, als dies früher üblich war, denn die Ansprüche der Menschen an eine solche Veranstaltungen sind wesentlich höher als früher, und damit erzwingt schon der geringe Personalbestand in unserer Gemeinde, dass dies nicht sehr oft passieren kann.

Aber genauso wie bei dem Weltjugendtag ist eine solche Veranstaltung ja nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Letztlich geht es darum, Menschen zu erreichen und diese lassen sich nur in der persönlichen Begegnung ansprechen. Wie schon zur Zeit von Jesus ist das Zwiegespräch der Weg, Menschen die gute Botschaft zu vermitteln. Und genau diese Tatsache zeigt uns den Weg in einer veränderten Zeit.

Während die Menschen in medialer Hinsicht heutzutage sehr hohe Ansprüche haben, ist die persönliche Begegnung in unseren Tagen eher ärmlicher geworden. Es passiert viel leichter, dass jemand ins soziale Abseits gerät und vereinsamt. Hier gilt es anzusetzen. Es müssen und sollen keine Großveranstaltungen mehr sein, die um Aufmerksamkeit buhlen, es können kleine, privat gehaltene Veranstaltungen sein, die fast mehr den gemeindeinternen Bedürfnissen zugute kommen, aber auch für Aussenstehenden offen sind. Hier kann man ins Gespräch kommen, hier kann man ganz privat über Gott und die Welt nachdenken, hier kann man die gute Botschaft weitersagen. Und wenn kein Aussenstehender kommt? Dann haben auch wir, innerhalb der Gemeinde, etwas davon.

Insofern sehe ich unser rein praktisch motiviertes Unvermögen, große öffentliche Veranstaltungen auf die Beine zustellen, gar nicht einmal so negativ. Wir sollten vielmehr aus einer Schwäche eine Stärke machen. Gerade, weil wir uns gegenseitig kennen, gerade weil es bei uns nicht groß, sondern klein zugeht, kann und soll gerade das für Aussenstehende das Motiv sein, zu uns zu kommen.

Natürlich müssen diese davon erst erfahren, darum spielt das persönliche Weitersagen eine noch größere Rolle als früher, wo man sich auch einmal leicht hinter der öffentlichen Werbekampagne hat verstecken können, natürlich besteht bei einem solchen Vorgehen die Gefahr, dass wir anfangen im eigenen Saft zu schmoren. Natürlich kann der Teufel auch bei uns die Lücken finden, die er braucht, um Menschen zu entmutigen, lustlos zu machen und von Gott abzubringen. Aber ich finde, wir sollten als Gemeinde genauso reagieren, wie es Jesus getan hat, als jener Aussätzige anfing, seine Geschichte in der Welt herumzuposaunen. Wir sollten im Sinne des Reiches Gottes aus den Möglichkeiten, die wir haben, das Beste machen und uns darüber freuen.

Amen