Predigt über Röm 6, 3-11

Einleitung:

Für viele ist in den letzten Wochen eine Welt auf den Kopf gestellt worden. Griechenland ist Europameister im Fußball geworden und niemand hatte sie vorher auf der Rechnung gehabt. Und wenn man so verfolgt hat, wie das zustande gekommen ist, dann fragt man sich unwillkürlich, wie das passieren konnte. Was ist denn das wesentliche am Fußball, das einer Mannschaft letztlich zum Erfolg verhilft? Sind es die Individualisten, die mit Geniestreichen eine Situation entscheiden können, ist es die mannschaftliche Geschlossenheit, wo einer für den anderen einsteht, ist es der Leiter, der ein Spiel dirigiert oder ist es der unermüdliche Arbeiter, der mit viel Laufpensum in allen entscheidenden Situationen parat steht?

Wir wissen natürlich, dass alle diese Faktoren entscheidend sein können, aber im Fall von Griechenland hat die mannschaftliche Geschlossenheit über den genialen Individualismus und der unermüdliche Arbeiter über den erhabenen Regisseur gesiegt. Aber wir wissen auch, dass es durchaus sein kann, dass sich der Europameister Griechenland letztlich nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert, wenn die Siegesserie der Griechen reisst und der Alltag einer Qualifikation einkehrt.

Für mich ist diese Frage nach dem Wesentlichen des Fußballspiels ein schönes Bild für den heutigen Predigttext. Hier wird auf das Wesentliche im christlichen Glauben eingegangen. Er steht in dem Brief an die Römer in Kapitel 6, die Verse 3-11:

Röm 6, 3-11

Wißt ihr nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden mit ihm auch in seiner Auferstehung vereint sein. Wir wissen doch. Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet wird und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben.

Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt, der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch sein Sterben ist er ein für allemal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott. So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde Tod sind, aber für Gott leben in Christus Jesus.

Hintergrund

Paulus hat sich in die Ecke argumentiert. Er schreibt an die Römer, eine wichtige und grosse Gemeinde, die er aber nicht kennt und die er erst noch besuchen will. Er benutzt die Gelegenheit, seine Theologie zu erläutern und geht im Verlauf des Römerbriefes auf ganz zentrale und wesentliche Fragen des Christentums ein. Da der Großteil der römischen Gemeinde Judenchristen sind, die aus dem Gedankengut und dem Hintergrund des Judentums kommen, ist natürlich die Frage nach der Stellung und der Bedeutung des Gesetzes von zentraler Wichtigkeit.

Aus diesem Grund widmet sich Paulus dieser Frage in den Kapiteln 4 bis 7. Er erläutert lang und ausführlich, wie es dazu kommt, dass die Menschen durch Gesetze nicht gerettet werden können, sondern dass geradezu im Gegenteil, durch die Gesetze erst klargemacht wird, wie fern der Mensch von Gott ist, wie sehr die Sünde von ihm und seinem täglichen Leben Besitz ergriffen hat. Paulus treibt diesen Gedanken auf die Spitze, indem er darlegt, dass durch das Gesetz die Sünde und damit der Tod erst so richtig zur Wirkung kommt.

Der Ausweg aus diesem Problem ist die Gnade, die Liebe Gottes. Und indem uns Gott an der Rettung durch Jesus Christus teilhaben lässt, wird die Gnade um so deutlicher je tiefer die Sünde ist. Das Ganze gipfelt in der Aussage von Paulus aus Kap. 5 Vers 21: „Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger geworden.“

Doch damit hat sich Paulus in die Ecke manövriert. Die fast zwangsläufige Konsequenz dieses Gedankens ist ein „also lasst uns sündigen, damit die Gnade um so grösser ist“. Menschen sind bequem und das war damals auch schon so. Und wenn sich eine Möglichkeit ergibt, sich selbst jede beliebige Freiheit zu schenken, dann werden die Menschen versuchen, diese Freiheit in Anspruch zu nehmen. Das war auch Paulus klar. Also versucht er, mit einem eigenen Abschnitt diesem Denken entgegenzuwirken und das ist unser Predigttext.

Die Taufe als Band

Unser Text gliedert sich in zwei Abschnitte. Im ersten Abschnitt schildert Paulus die Taufe als das Band, das uns an den Tod und die Auferstehung von Jesus bindet. Dieses Argument von Paulus beinhaltet mehrere bemerkenswerte Gedanken.

Tod und Auferstehung gehören zusammen:

Der erste Gedanke sollte für uns eigentlich selbstverständlich sein. Tod und Auferstehung Jesu gehören zusammen.

Ohne die Auferstehung ist der Tod Jesu banal. Tote Juden – auch solche, die sich für andere aufgeopfert haben, waren zu der damaligen Zeit etwas völlig normales. Und das Standardinstrument der Hinrichtung war eben auch das Kreuz. Auch Ungerechtigkeit, politisches Machtkalkül und Willkür der Besatzungsmacht waren damals an der Tagesordnung. In dieser Hinsicht muss man sagen, dass Jesus zwar einen sehr grausamen, aber doch völlig normalen Tod gestorben hat. Es ist erst seine Auferstehung, die aus seiner Herkunft und seinem Leben erwächst, die seinen Tod zu etwas besonderem macht.

Und ohne den Tod wäre die Auferstehung sinnlos gewesen. Was hätten wir von einem Gott, der wieder zu Gott wird. Was hätten wir von einem Jesus, der einen Kurzaufenthalt auf der Erde macht, um anschliessend wieder in seine himmlische Heimat zurückzukehren – sozusagen ein Gott auf Urlaub. Es ist erst sein Tod, der diesen Urlaub in eine Mission verwandelt. Erst durch das Leiden und stellvertretende Sterben kann der Mechanismus wirken, der uns befreit und uns rettet.

Obwohl dieser Zusammenhang so selbstverständlich ist, sollte er immer wieder in Erinnerung gerufen werden, denn nur zu leicht sprechen wir nur von dem Tod oder nur von der Auferstehung, ohne den jeweils anderen Teil zu erwähnen und so kann der leicht mal übersehen werden.

Die Taufe bindet uns an den Tod Jesu

So selbstverständlich der erste Gedanke von Paulus ist, so interessant ist der zweite Gedanke. Taufe bindet uns an den Tod von Jesus. Taufe ist für Paulus etwas besonderes. Taufe ist weder nur ein Aufnahmezeremoniell in eine christliche Gemeinschaft noch ist Taufe lediglich ein öffentliches Bekenntnis zur Demonstration des Glaubens. Für Paulus ist Taufe mehr als das. Mit der Taufe wird eine Verbindung hergestellt und zwar zu dem Tod Jesu, zu seinem Kreuz und seinem Leiden.

Das bedeutet, dass die Taufe zu Recht in allen Kirchen eine besondere Stellung einnimmt. Sie ist eben kein formaler Akt. Man könnte jetzt zwar weiterfragen, welcher Aspekt der Taufe denn genau der besondere ist, aber auf dieses Thema will ich heute nicht im einzelnen eingehen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass mit der Taufe das Senden des Geistes versprochen ist und dass es in der Bibel die merkwürdige Geschichte gibt mit den Jüngern des Johannes in Ephesus, die zwar die Taufe mit dem Wasser kannten, aber erst durch Paulus dahinkamen, dass die Taufe mit dem heiligen Geist begleitet wurde. Dies zeigt meines Erachtens, dass die Menschen tatsächlich lediglich einen symbolischen Akt durchführen und dass es Gott ist, der durch das Senden des Geistes die Taufe erst zur Taufe macht.

Doch das Wichtige in unserem Zusammenhang ist, dass wir mit der Taufe einen Tod erleiden, wie Paulus das ausdrückt: „Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod“. Mit der Taufe soll unser alter Mensch tot sein, gestorben, ertrunken. Das ist nun wieder etwas schwer zu verstehen, denn für alle ist es offensichtlich, dass die äussere Erscheinung anders ist, wenn ein Mensch körperlich stirbt. Das sieht alles völlig anders aus als wenn man in der Taufe mit Wasser nass gemacht wird und anschliessend aus dem Taufbecken steigt.

Hier kommt eine Sicht der Bibel zum Tragen, mit der wir Menschen immer wieder Schwierigkeiten haben. Dahinter steckt das Wort von Jesus aus Mat 16, 25 „Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren, wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden“. Ein Mensch, der lebt, kann in Wirklichkeit schon längst tot sen und ein Mensch, der tot ist, erfreut sich in Wirklichkeit bester Gesundheit.

Paulus sieht dieses ebenso und das wird deutlich in unserem Text mit dem Satz „Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet wird und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben.“ Das sagt Paulus, auch wenn ihm auch klar sein müsste, dass er immer noch denselben Leib besitzt, den er vor Damaskus gehabt hat. Doch mit der Taufe sieht er das Ende dieses Leibes, während er als Person eine Perspektive hat, die darüber weit hinaus geht.

Der Leib und die Sünde

Der dritte Gedanke dieses ersten Abschnitts steckt in dem eben zitierten Satz. Für Paulus ist es der Leib, der unter der Herrschaft der Sünde steht, während es der Geist ist, der unter der Herrschaft der höheren Mächte steht. Dieses Denken von Paulus kommt in mehreren Briefen immer wieder zum Vorschein. Paulus ist geprägt von der griechischen Philosophie seiner Zeit. Wenn er gewusst hätte, was die Menschen mit seinen Worten im Verlauf der Zeit anstellen würden, dann hätte er vielleicht andere Worte gebraucht.

Denn dieses Denken soll nicht ausdrücken, dass der Leib unwichtig ist oder dass alles, was vom Leib herrührt schlecht ist. Denn das würde ja bedeuten, dass Hunger, Durst, Sexualität, körperliche Anstrengung usw. usw. für sich selbst schlecht wären. Dies ist aber mit den Worten des Paulus ganz und gar nicht gemeint. Der Leib ist für Paulus eher die Handhabe, das Mittel zum Zweck, über den die Sünde im Menschen Einzug hält. So entspricht es zumindestens dem griechischen Denken. Dass auch etwas ganz anderes im Leib Einzug halten kann, demonstriert Paulus mit seinem bekannten Bild vom Leib als dem Tempel Christi. Nicht nur die Sünde kann in unserem Leib wohnen, sondern auch Gott. Und trotzdem haben wir dieselben Bedürfnisse Hunger, Durst, Sexualität, Anstrengung usw. Nur jetzt stehen sie eben unter der Herrschaft Gottes.

Aber egal, wer jetzt die Herrschaft über unseren Leib hat, es ist der Leib, der irgendwann einmal sterben muss, der körperliche Tod kommt auf jeden Fall.Genau denselben Tod hat auch Jesus Christus erlitten, nur er ist im Gegensatz zu allen anderen von Gott wieder zum Leben erweckt worden mit einem, wie Paulus sich in 1. Kor. 15 ausdrückt, unverweslichen Leib. Im griechischen Denken entspricht dies dem Geist, der über die Materie triumphiert. Und wenn wir uns durch die Taufe an Jesus binden, dann haben wir diesen Tod quasi schon vorweggenommen, selbst wenn er zeitlich noch vor uns liegen mag. Durch die Bindung an Jesus – so sagt Paulus – werden wir damit auch diesen unverweslichen Leib erben und mit Jesus auferstehen.

Die Auferstehung als Weg aus der Sünde

So grundlegend Paulus im ersten Abschnitt argumentiert, so grundlegend geht es im zweiten Abschnitt weiter. Meiner Meinung sagt Paulus hier sogar etwas sehr revolutionäres, etwas, was ich auch im Denken der heutigen Christen sehr selten sehe. In Vers 7 sagt er „Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde“

Tod als Weg aus der Sünde

Klar werden die meisten Menschen sagen, wer tot ist kann nicht mehr handeln, also auch nicht sündigen. So weit scheint die Aussage von Paulus eher oberflächlich zu sein. Doch man beachte, dass Paulus nicht sagt, dass wer tot ist, keine Sünde mehr begehen kann, er sagt, der Tote ist frei geworden von der Sünde.

Ich finde, in dieser Bemerkung steckt das ganze Grundprinzip des Christentums. Denn unser normales Denken ist es doch, den Tod als eine Strafe zu sehen, als Strafe, die Gott mehr oder weniger willkürlich zur Konsequenz der Sünde festgesetzt hat, es hätte ja milder zugehen können, aber so ist Gott eben – unerbittlich.

Dieses Denken ist für viele Menschen ein Hinderungsgrund gegen Glauben und gegen Gott. Ich habe oft gehört „an einen solchen grausamen Gott will ich nicht glauben“. Und wenn man dann mit Jesus Christus kommt und betont, dass Gott über ihn doch einen Ausweg geschaffen hat, dann kommt die Retourkutsche, dass man erst recht nicht an einen Gott glauben will, der erst ein unzumutbares, willkürliches Strafmass zugemessen hat und dann gnädigerweise einen engen Ausweg geschaffen hat. Und warum soll die Strafe plötzlich nicht mehr so hoch sein, wenn man lediglich das Gedankenspiel „Glauben an Jesus“ startet?

Aber in den Worten der Bibel ist der Tod keine Strafe. Es ist nichts, was Gott uns willkürlich auferlegt hat, weil ihm jetzt danach war, seine Menschen zurechtzuweisen. Es ist auch nichts, wozu es eine Alternative gegeben hätte. Wenn man an die Worte Gottes an Adam und Eva denkt „Wenn Ihr von dieser Frucht esst, dann werdet ihr sterben“, dann ist das eben nicht als Strafandrohung gemeint, sondern als das Aussprechen einer Konsequenz, wie etwa, wenn man über einen giftigen Pilz sagt „Wenn Du davon isst, wirst Du Bauchschmerzen bekommen“.

Denn Paulus benutzt in unserem Predigttext den Begriff frei werden von der Sünde und vorher, dass wir Sklaven der Sünde wären. Er sagt nicht, wenn wir das Gesetz brechen, dann werden wir bestraft. Diese Wortwahl zeigt, dass wir in einer Welt leben, wo der Tod das Sagen hat, ob wir wollen oder nicht. Wir sind eben nicht Herr über uns selbst, wir können nicht entscheiden das Gute zu tun oder das Schlechte, wir können dem Tod aus eigener Kraft einfach nicht entkommen. Wir befinden uns in einer ausweglosen Situation, die nicht von unserem Handeln kommt, sondern von unserem Sein.

Das wiederum bedeutet, dass wir uns durchaus auch ohne Gott für ein ethisch hochstehendes Leben entscheiden können, wir können leben nach dem berühmten Spruch „tue Recht und fürchte niemand“. Wenn jemand sein Leben wirkich nach solch hohen Massstäben gestaltet, dann wird ihm das von Gott sicherlich anerkannt werden. Wir können unser Leben auch gestalten mit viel Freude, mit Liedern, mit Liebe, wir können ein erfülltes Leben haben. Aber den eigentlichen Durchbruch zum wirklichen Leben haben wir damit noch lange nicht erreicht.

Denn genau das ist es, was Gott Adam und Eva angekündigt hat. Wenn ihr Euch und Eure Nachkommen unter die Herrschaft der Sünde stellt, dann gibt es keinen Ausweg, es sei denn, Ihr verlasst den Herrschaftsbereich der Sünde, indem Ihr die Welt durch den Tod verlasst. Das ist es, was Paulus in unserem Text meint, wenn er sagt „Denn durch sein Sterben ist er ein für allemal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott“. Der Tod ist keine Strafe für die Sünde, sondern der einzige Ausweg, der Sünde zu entkommen. Der Tod ist keine brutale Strafe, sondern das Gegenteil ist wahr, es wäre brutal auf ewig unter der Herrschaft der Sünde leben zu müssen. Denn Sünde ist ja nicht nur das Tun von Verbotenem, das eigentlich Spass macht, Sünde ist die ganze Mühe, das Elend, das Leid.

Also noch einmal der Kernsatz für meine Predigt heute: Tod ist keine Strafe, sondern der einzige Ausweg, den wir haben, um der Sünde zu entkommen.

Ohne Jesus wäre der Tod zwar immer noch eine Form der Gnade, aber eine, die ins Nichts führt. Tote können nicht handeln, nicht entscheiden, nicht leben. Es war Jesus, der uns den Weg geebnet hat zurück zu einem bewussten Dasein, aber ohne den Zwang unter der Sünde leben zu müssen. Jesus war der Wegbereiter und wir sollen ihm nachfolgen. Paulus betont, dass wir durch unsere Taufe, durch unser Bekenntnis an diesen Weg von Jesus gebunden sind. Wir müssen seinen Tod mitsterben, dafür können wir auch auf seinem Weg ins Leben gehen.

Die Konsequenzen der Errettung

Die Konsequenzen dieser Möglichkeit ist Euch allen klar. Das Leben, das wahre Leben wirft seinen Schatten voraus. Weil wir diese Möglichkeit haben, weil wir diese Hoffnung haben, sollen wir schon jetzt so leben als wäre es schon geschehen. Weil wir als Sklaven der Sünde befreit worden sind, sollen wir aufhören, der Sünde Handreichungen und Dienste zu tun. Jesus ist jetzt unser Herr und sein Wille soll jetzt zählen. Wir alle wissen, das das nicht nur nicht einfach ist, wir wissen alle, dass das auch unmöglich ist. Wir sind noch nicht wirklich gestorben und sind den Weg zu Gott noch nicht gegangen. Noch hat die Sünde Macht über uns in immer wieder neuen und subtilen Arten und Weisen.

Ich versuche in meinen Predigten ja immer, frommes Geschwafel sein zu lassen und konkret zu werden, so konkret, wie dies für unser tägliches Leben wichtig ist. Aber in dem Fall „Lasst uns nicht sündigen“ fällt mir das schwer. Warum? Weil Sünde etwas sehr persönliches ist. Ich meine das in dem Sinn, dass jedes Tun seine Motive, seine Hintergünde und seine Geschichte hat. Und solange wir es mit normalen Situationen des Alltags zu tun haben, muss man diese Faktoren einrechnen. Es genügt nicht einfach zu sagen „Tu das nicht mehr“, denn das lässt dem Sünder keine Chance.

Ich möchte versuchen, das an einem Beispiel klarzumachen. Nehmen wir Ehebruch, was ja auch in den besten christlichen Kreisen immer wieder vorkommen soll. Ehebruch ist Sünde, keine Frage. Bei Ehebruch wird etwas zerstört – eventuell unwiederbringlich. Trotzdem reicht es nicht, einfach zu sagen, „das ist verboten“. Man muss fragen „Wie kommt es dazu“, man muss fragen wo eine Ehe in die schiefe Bahn gelaufen ist, wo falsche Vorstellungen, falsche Sehnsüchte, falsche Wege geherrscht haben, so dass es erst dazu kommen konnte, dass die Möglichkeit entstanden ist, dass Ehebruch begangen wird. Diese ganzen Fragen sind der heutigen Psychotherapie durchaus bewusst und wenn man in eine Eheberatung geht, dann stehen solche Fragen im Mittelpunkt. Denn Ehebruch wird nicht dadurch verhindert, dass jemand verspricht, es nie wieder zu tun, sondern dadurch, dass man verhindert, dass der Wunsch nach Ehebruch überhaupt im Herzen auftaucht.

Und wenn schon bei einer so klaren Sünde wie Ehebruch, so schwierige und persönliche Fragen im Zentrum stehen, wie ist das erst bei all den vielen Fragen des täglichen Umgangs mit den Kollegen, mit den Nachbarn, mit den Kindern, mit Geld und Besitz, mit Zeit usw. usw. Ich als Prediger, der nicht wie Jesus in Eure Herzen zu blicken vermag, fühle mich nicht imstande konkret zu sagen, was ihr tun sollt und was ihr lassen sollt, ich finde, das wäre auch überheblich. Alles, was ich eventuell tun könnte ist, allgemeine Richtlinien zu finden, an denen man sich orientieren kann und es ist Eure Aufgabe, diese Richtlinien konkret in Eurem Leben anzuwenden und Euch selber zu beurteilen, natürlich unterstützt von Gesprächen im kleinen Kreis oder im Hauskreis.

Aber hier im Gottesdienst kann ich erst einmal nichts anderes tun als das, was Paulus auch getan hat. Ich kann nur klar machen, dass Gott sich nicht reinlegen lässt, wie manche Kinder versuchen, ihre Eltern reinzulegen. Ihr seid für die Sünde gestorben und jetzt lebt Ihr für Gott. Verhaltet Euch auch danach, so dass Gott stolz sein kann auf Euch und Ihr ein Licht für diese Welt werdet.

Amen